Sonntag, März 24, 2024
Diary

Österreich regiert „Cyber“

Österreichs neue, alte Regierung wurde nunmehr angelobt und präsentiert stolz ihr Regierungsprogramm. Damit zufrieden sind anscheinend die Herausgeber und die Politikverdrossenen. Die Opposition schimpft verzweifelt über mangelnde Inhalte und potentiellen Stillstand der Politik, doch weiß man bei deren Kritik nie so recht, ob sie ernst gemeint ist oder berufsbedingt erfolgt. Das Regierungsprogramm scheint jedenfalls nicht besonders progressiv zu sein. Man hört, es spreche viele notwendige Reformen nicht an oder sei zu wenig konkret. Die von den Medien am liebsten aufgegriffene Beschreibung der Regierungsarbeit ist auf jeden Fall, dass einfach „weitergewurstelt“ werde.

Beim Durchblättern des Arbeitsprogramms der Regierung fiel mir besonders die Passage über die geplante Sicherheitspolitik im Bereich digital vernetzter Infrastruktur auf. Angesprochen werden unter anderem die „Cyber-Sicherheit“, der „Cyber-Raum“, der „Cyber Space“, die „Cyber-Initiative“, das „Cyberstrafrecht“, oder das Wort „Cyber“ alleine, als neues Risikobild, welches mit Terrorismus vergleichbar sei.

Cyber
Ein „Cyber“ (siehe Wikipedia)

Ich musste unwillkürlich lachen – und eigentlich sollte ich weinen. Zwar wurde treffend formuliert, dass digital vernetzte Medien „immer mehr zum vitalen Aktionsraum für Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft“ würden. Doch ich frage mich, was die Regierung mit „Cyber“ überhaupt meint und was sie vor hat. Dass alle „Cyber“-Begriffe unter Anführungszeichen vermerkt sind, wirkt so, als wären digitale Medien etwas Unwirkliches und nur in der Science-Fiction-Literatur existent – oder es könnte darauf hinweisen, dass man es lächerlich findet, sich mit der Realität digitaler Medien zu befassen, und man muss das Wort deswegen peinlich flankieren. Alleine die Gestaltung und Formulierung dieser Passage im Regierungsprogramm erinnerte mich an das Sinnbild eines mittelalterlich-königlichen Einflüsterers: Der alte, gebrechliche König muss vor dem Volke sprechen und sein Souffleur flüstert „… und sagen Sie etwas über Internet, Überwachung, und das alles… nennen Sie es sie einfach Cyber“.

Es ist erstaunlich, wie die antretende Regierung die Realität und die Präsenz digitaler Medien marginalisiert. Während man in fast allen anderen Schwerpunkten des Programms zumindest mit Fachvokabular und einigen Unterpunkten den Standpunkt und mögliche Initiativen erläutert, reicht hier das dort undefinierte Wort „Cyber“ in Verbindung mit dem Allzeit-Totschläger „Sicherheit“. Und es ist traurig wie wenig sich die amtierenden Politiker sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen scheinen. Dabei hat sich das globale Finanzsystem erst seit den 1980er-Jahren, mit der globalen Vernetzung in seiner vollen Wucht entwickelt, Internet und Mobiltelefonie sind längst die dominanten Telekommunikationswege, und die Bevölkerung (v.a. die Jugend) kommt damit direkt oder indirekt täglich in Berührung. Kurzum: digitale Medien in all ihrer Vielfalt und alle damit in Verbindung stehende Phänomene sind immanenter Teil unserer Kultur und unseres Systems.

Nach meiner Lesart des Regierungsprogramms wollen sich die Politiker offenbar trotzdem nicht selbst mit digitalen Medien beschäftigen. Es reicht ihnen zu demonstrieren, dass sie wissen, dass es so etwas gibt, und der Plan scheint zu sein, einfach ein paar neue Institutionen zu schaffen, die sich dann quasi undemokratisch um diese ganze lästige „Cyber-Angelegenheit“ kümmern sollen. Die österreichischen Regierungspolitiker scheinen zu glauben, dass man die Kontrolle digitaler Medien einfach in die Hand von Institutionen wie NSA, GCHQ, DGSE, oder auch gänzlich privaten Unternehmen, wie der CSC, übertragen sollte. Ich frage mich, warum sich in den Regierungsparteien, bei einem Organisationsgrad von rund einer Million Mitgliedern, niemand findet, der sich als gewähltes Organ ein wenig konkreter mit der Sache beschäftigen will – anstatt einfach „Cyber“ zu sagen und neue Monster zu schaffen.

Doch man kann nicht immer alles verstehen. Und warum die „Cyber-Sicherheit“ in erster Linie der Gesundheit dienen soll, wie auf Seite 78 vermerkt, verstehe ich sowieso nicht ganz.

Weiterführende Links

Regierungsprogramm 2013-2018: http://www.bka.gv.at/site/3354/default.aspx

One thought on “Österreich regiert „Cyber“
  1. YBER cyber.. cyber, weiber, sex… uelle Belebung durch DEN Datenhandschuh, entwickelt von Herrn Dr. G. Crimes – das nenn ich mal (cy)sauber !

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