Samstag, April 20, 2024
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Such Is Life #15 | Mad Jack

"Mad Jack" Churchill (Wikimedia Commons)
„Mad Jack“ Churchill (Wikimedia Commons)

Lieutenant Colonel John Malcolm Thorpe Fleming „Jack“ Churchill besser bekannt als Mad Jack war wohl einer der imposantesten Führer von Kommandotruppen des Zweiten Weltkriegs. Anstatt sich auf Schusswaffen zu spezialisieren, bevorzugte er es mit Dudelsack, Langbogen und schottischem Breitschwert ins Gefecht zu ziehen, denn Churchill war der Meinung: „Jeder Offizier, der ohne sein Schwert in den Kampf zieht, ist unsachgemäß gekleidet“.

Jack Churchill erblickte am 16. September 1906 in Ceylon das Licht der Welt. Sein Vater Alex Churchill arbeitete zu der Zeit als Bauleiter in Hong Hong und Ceylon. Nach seiner Ausbildung an der Dragon School in Oxford, dem King William’s College auf der Isle of Man und der Militärakademie Sandhurst trat Churchill der Armee bei und landete beim 2. Bataillon in Rangun, Myanmar.

Nach einem Signalkurs in Pune fuhr Churchill auf einem Zenith Motorrad etwa 2.500 Kilometer quer durch Indien, wo er neben anderen Zwischenfällen einen Frontalzusammenstoß mit einem Wasserbüffel verursachte. Davon ließ er sich jedoch nicht beeindrucken und setzte seine Reise Richtung Myanmar fort.  Zurück in Rangun ließ er sich nach Pyin U Lwin, einer Stadt nördlich von Rangun versetzen. Dort lernte er von einem schottischen Major der Cameron Highlanders das Dudelsack-Spielen. Churchill wurde so gut, dass er (als Engländer!) einen militärischen Dudelsackwettbewerb gewann.

Nachdem sein Regiment 1936 nach Großbritannien zurückkehrte wurde es Churchill in der Armee zu langweilig und er begab sich auf eine ausgedehnte Europatour auf der er sich mit Dudelsackauftritten und kleineren Filmrollen als Dudelsackspieler und Pfeilbogenschütze über Wasser hielt. 1939 trat er in Oslo für Großbritannien bei den Weltmeisterschaften im Bogenschießen an.

Als 1939 der Krieg ausbrach wurde Churchill einberufen und nahm Pfeil und Bogen mit nach Frankreich, wo er sie auf Patrouillen gegen Deutsche entlang der Maginot-Linie einsetzte. In dem Dorf L’Epinette etwa sah Churchill von einem Turm aus, wie deutsche Streitkräfte anrückten und kündigte seinen Angriff damit an, dass er dem Nazi-Feldwebel einen Pfeil durch die Brust schoss. Zwei alliierte Infanteristen eröffneten daraufhin das Feuer.

1941 meldete er sich freiwillig, um sich den britischen Kommandos anzuschließen die in Norwegen landen und die Befestigungen der Deutschen stürmen sollten. Als die Rampen des ersten Landungsbootes fielen, stürmte Churchill nach vorne und spielte „March of the Cameron Men“ auf seinem Dudelsack, bevor er eine Granate warf und der Schlacht auf dem Strand entgegen rannte. Aktionen wie diese sollten ihm bald den Spitznamen Mad Jack einbringen.

Ganz rechts im Bild ist Mad Jack mit gezücktem Schwert zu sehen. (Wikimedia Commons)
Ganz rechts im Bild ist Mad Jack mit gezücktem Schwert zu sehen. (Wikimedia Commons)

Das Gefecht in Norwegen überstand er unversehrt, jedoch ließ ein britischer Sprengstoffexperte aus Versehen ein Geschoss neben ihm explodieren, welches die Scherben einer Weinflasche aus der er gerade trank in seine Stirn katapultierte. Nach einem kurzen Krankenstand befand er sich bereits wieder im aktiven Kampf.

1943 beteiligte sich Churchill am Italienfeldzug, wo er zusammen mit einem Unteroffizier nachts von einem deutschen Posten zum nächsten schlich und mit seinem Breitschwert deutsche Garden überraschte. Insgesamt hatten sie in dieser Nacht 42 deutsche Soldaten gefangen genommen.

Sein nächster Einsatz führte ihn auf die Insel Brac, wo er ein Kommando leitete, das den 800 Meter hohen und stark vermienten Vidova Gora einzunehmen versuchte. Den Dudelsack spielend, führte Churchill seine Truppe in einem nächtlichen Angriff auf den Gipfel wo er schließlich verwundet und gefangen genommen wurde.

Nach nur 48 Stunden in Gefangenschaft schrieb er dem befehlshabenden deutschen Offizier folgende Nachricht: „You have treated us well… If, after the war, you are ever in England and Scotland, come and have dinner with my wife and myself“ und fügte seine Telefonnummer hinzu. Später sollte diese Nachricht dem deutschen Offizier Hans Thornerr das Leben retten, als er von Jugoslawen gefangen genommen wurde und als Kriegsverbrecher hingerichtet werden sollte. Offenbar war den jugoslawischen Soldaten Churchills gute Meinung von Thornerr einiges Wert.

Während seiner Gefangenschaft hielt die Wehrmacht Churchill fälschlicherweise für einen Verwandten des Premierministers, was ihn vor dem sofortigen Erschießungstod rettete. Er wurde ins Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin gebracht, wo er einen Monat lang am Boden festgekettet war und auf Persönlichkeiten wie Kurt von Schuschnigg und Kurt Thyssen traf.

Mad Jack starrt in eine eroberte belgische 75mm Feldkanone. (Wikimedia Commons)
Mad Jack starrt in eine eroberte belgische 75mm Feldkanone. (Wikimedia Commons)

Churchill versuchte sich zusammen mit einem RAF Offizier aus dem Lager zu graben, wurde bei dem Fluchtversuch allerdings erwischt und in ein anderes Lager nach Österreich verlegt. Während eines Stromausfalles ergriff er erneut die Gelegenheit und flüchtete. Diesmal erfolgreich. In der Nähe des Brennerpass überquerte er die Alpen und traf dann in der Po-Ebene auf einen amerikanischen Aufklärer dem er sich anschloss.

Zurück beim britischen Militär sollte er eigentlich nach Indien verlegt werden, um dabei zu helfen die Invasion auf Japan vorzubereiten. Doch der Krieg endete bevor er die Aufgabe antreten konnte.

Nach Kriegsende ließ sich Churchill von einem Abenteuer zum nächsten treiben. Der mittlerweile 40-Jährige ließ sich erst zum Fallschirmjäger ausbilden, um sich dann nach Schottland zu den Seaforth Highlanders versetzen zu lassen. Im Jahr 1948 diente er in Jerusalem wo seine Aufgaben hauptsächlich in der Terrorismusbekämpfung lagen.

Während der Zeit der Gründung des Staates Israel bewachte er einen medizinischen Konvoi und evakuierte hunderte jüdische Ärzte aus Palästina. In Australien verdiente er seinen Lebensunterhalt als Lehrer für Kriegsführung und widmete sich seiner Liebe zum Surfen. Er kehrte nach England zurück um eigene Surfbretter zu entwerfen und surfte auf einer meterhohen Welle des Flusses Severn fast zweieinhalb Kilometer flussaufwärts. Daneben behielt er sich einen Schreibtischjob beim Militär.

Schließlich ging er 1959 in Ruhestand und widmete sich fortan dem Kauf und der Restaurierung von Dampfschiffen auf der Themse. Er erwarb elf Schiffe mit denen er Reisen von Richmond nach Oxford unternahm und war ein findiger Erbauer von ferngesteuerte Modellschiffen die er mit Profit verkaufte. Außerdem versuchte er Geschwindigkeitsrekorde auf dem Motorrad aufzustellen.

Wenn Churchill nicht gerade auf dem Schlachtfeld stand, wird ihm nachgesagt er sei ein ruhiger und gut gelaunter Mensch gewesen, der sich auch gerne einen Witz daraus machte fremde Menschen zu verunsichern. Zum Beispiel soll er manchmal auf dem Heimweg im Zug aufgestanden sein, das Fenster geöffnet, seinen Aktenkoffer hinausgeworfen und sich wieder hingesetzt haben. Den verwunderten Passagieren erzählter er dabei natürlich nicht, dass er den Koffer gerade in seinen eigenen Garten geworfen hatte.

Jack Churchill ist am 8. März 1996 verstorben und hinterließ eine Frau und zwei Kinder. Vergangenen März hat der Royal Norwegian Explorers Club ein Buch herausgegeben, in dem Churchill als einer der besten Entdecker und Abenteurer aller Zeiten genannt wird.

Quellen und Links: