Samstag, Dezember 21, 2024
Diary

Der Mond in The Sun

Ab 25. August 1835 brachte die Tageszeitung New York Sun eine sechsteilige Artikelserie über die neuesten Erkenntnisse des britischen Astronomen John Herschel. Mit einem Teleskop fortschrittlichster Technologie und gigantischen Ausmaßes hatte Herschel nahezu alle Probleme der mathematischen Astronomie gelöst, neue Planeten entdeckt, und eine neue Theorie über Kometenphänomene aufstellen können. Nicht zuletzt hatte er Leben auf dem Mond entdeckt.

Die Beiträge in der New York Sun berichteten über Berge, Täler, Flüsse, Ozeane und Strände, die von allerlei Wesen bewohnt werden. Bisons, Einhörner, Ziegen, zweibeinige Bieber lebten auf dem Mond, sowie auch eine äußerst überlegene Spezies von Fledermausmenschen, erhaben schön und engelsgleich.

Landschaft mit Lebewesen auf dem Mond (New York Sun / 1835 / wikimedia commons)

Die Sensationnachricht von Menschen auf dem Mond verkaufte sich derart gut, dass auch andere Medien eilig begannen die Geschichte zu drucken. Eine Missionsvereinigung in Massachusetts erwog schon Missionare zum Mond zu entsenden, um die Fledermausmenschen zu bekehren. Doch dann endete die Berichterstattung nach sechs Artikeln jäh. Das Observatorium war in Flammen aufgegangen. Wie durch riesiges Brennglas hatte das Teleskop die Sonnenstrahlen gebündelt, und die Forschungsstation war abgebrannt.

Nachdem Herschels Berichte rund zwei Wochen lang hohe Wellen in der Medienwelt schlugen, offenbarte die New York Sun am 16. September 1835 schließlich, dass es sich bei der Serie im einen Schwindel handelte. John Herschel war zwar tatsächlich ein renommierter Wissenschaftler dieser Zeit, doch der wusste weder von den Beiträgen in der New York Sun, noch von seinen vermeintlichen Beobachtungen. Als er von dem Schwindel in seinem Namen erfuhr, reagierte er zuerst amüsiert, dann jedoch zunehmend genervt, als er immer wieder Fragen von Leuten beantworten sollte, die den Hoax für wahr hielten.

Ein Fledermausmensch (Vespertilio homo) (gedruckt in Neapel / 1836 / wikimedia commons)

The Great Moon Hoax gilt in der amerikanischen Mediengeschichte als erste bewusste und großangelegte Fälschung im Zeitungsjournalismus. Heute richtet sich der Vorwurf verdrehter Tatsachenberichte sogar gegen seriöse Nachrichtenformate, und es ist für Medienkonsumenten immer schwerer, Enten von Nicht-Enten zu unterscheiden. Häufig geht es nur noch um Plausibilität, da das Überprüfen der Sachlage durch Normalsterbliche unmöglich ist.

Den gläubigen Zeitungslesern des 19. Jahrhunderts also Naivität vorzuwerfen scheint unangebracht. Gestützt durch den Namen eines glaubhaften Wissenschaftlers war die Mondgeschichte durchaus plausibel. Und da die meisten Menschen auch heute nicht die Mittel haben den Mond direkt zu beobachten, kann es ja durchaus sein, dass die Berichte der Fledermausmenschen auf dem Mond doch der Wahrheit entsprechen – als alternative Fakten sozusagen.

Quellen / Weiterführende Links