Bitcoin wird gerne als revolutionäre Technologie bezeichnet. Um herauszufinden ob diese für den „normalen“ Konsumenten wirklich Vorteile bringt, habe ich die Open Source-Währung für Trift ausprobiert.
Viele Menschen die das Vertrauen in Zentralbanken verloren haben, suchen nach Alternativen die außerhalb des Systems von Staaten und Banken existieren können. Dabei wird der Suchende schnell auf Kryptowährungen aufmerksam. Das ist Geld in Form von digitalen Währungen. Durch Prinzipien der Kryptographie wird ein dezentrales und sicheres, digitales Zahlungssystem realisiert. Kryptowährungen gibt es viele. Etwa 700 sind derzeit in Verwendung. Das älteste und größte Währungssystem, nach dessen Prinzip alle anderen Kryptowährungen aufgebaut sind, ist Bitcoin.
2009 wurde Bitcoin veröffentlicht. Seither durchlief sie, wie jede andere Währung, alle Höhen und Tiefen, über welche die Medien gerne und ausführlich berichteten. Etwa titelte Der Standard im April 2012 „Onlinewährung Bitcoin weckt Interesse der Finanzwelt“ und im Dezember 2013 „2013 – das Jahr des Bitcoin“ und schließlich im Dezember 2014 „2014 war für Bitcoin katastrophal“. Sieht man sich die Zahlen an war 2014 tatsächlich ein problematisches Jahr für die Währung. Im Jänner 2013 lag der Handelspreis noch bei 641 Euro, aktuell steht er bei 230 Euro.
Für die Akzeptanz von Bitcoin war 2014 hingegen ein erfolgreiches Jahr. WordPress.com, Reddit und PayPal akzeptieren sie schon seit Langem. Kürzlich verkündeten auch Xbox sowie der Microsoft-Store Bitcoins zu akzeptieren. Der Times-Verlag bekannte sich inzwischen ebenso zu der jungen Währung. Die Verwaltung von New York City selbst überlegt sie als zusätzliche Bezahloption bei Strafgebühren für Falschparken einzuführen. Und das FBI ist dank Silk Road-Beschlagnahmungen Inhaber des weltweit größten Bitcoin-Kontos.
Die erste globale Währung
Bitcoin wird als die erste globale Währung bezeichnet. Das System ist nicht an einen Staat oder eine Zentralbank gebunden und so erhält man überall auf der Welt den gleichen Gegenwert für Bitcoins. Es spielt dadurch keine Rolle ob ich Geld an meinen Nachbar oder ans andere Ende der Welt sende, die ohnehin schon sehr geringen Transaktionsgebühren bleiben die gleichen.
Ein weiterer Vorteil ist der Schutz der eigenen Identität. Anders als bei Kreditkartenzahlungen oder Banküberweisungen bleibt der Nutzer anonym. Kreditkartenbetrug oder gestohlene Kreditkartendaten werden dadurch ebenfalls unmöglich. Zusammen mit der starken Kryptographie wird Bitcoin daher zu einem sehr sicheren und darüber hinaus schnellen Zahlungsmittel. Transaktionen zu tätigen funktioniert in etwa gleich schnell wie eine Email zu versenden, und es ist ebenso einfach.
Anwendung
Sozusagen im Selbstversuch habe ich mir ein paar bits (b 1.000.000 = 1 bitcoin) besorgt um auszuprobieren ob sie als mobiles Zahlungsmittel Bargeld ersetzen können.
Wallet
Der erste Schritt um Bitcoins zu erwerben ist sich ein Wallet anzulegen. Die Denkweise der digitalen Währung ist dabei erstaunlich analog. Ein Wallet funktioniert im Prinzip gleich wie eine analoge Geldbörse. Das eigene Geld existiert nur in diesem einen Wallet. Will man sein Geld auf einem anderen Wallet zur Verfügung haben, überweist man es dorthin. Mittels einer Software generiert man ein Wallet welches dann mit Bitcoins befüllt werden kann. Dabei ist es nicht notwendig einen Account anzulegen, beziehungsweise persönliche Daten anzugeben.
Wallets gibt es für alle Plattformen. Ich habe mich für ein mobiles Wallet auf meinem Smartphone entschieden. Vor allem um auszuprobieren, ob Bitcoin alltagstauglich ist. Bei Internetüberweisungen ist mir – abgesehen von den Gebühren – egal, ob in Euro, USD oder Pfund überwiesen wird.
Wechseln
Bitcoins werden, wie jede andere Währung, erworben. Es gibt einen allgemeinen Wechselkurs und um diesen kann man sich Bitcoins, entweder über eine Börse oder bei Privatpersonen, kaufen. Dabei kann jedoch im Prinzip jeder seinen eigenen Preis bzw. Kurs festlegen, in der Regel ändern sich die Preise aber zusammen mit den allgemeinen Kursschwankungen.
Ich habe mich dafür entschieden Bitcoins beim ersten Bitcoin-Automaten Österreichs zu kaufen. Dieser steht im Büro von confinity, einem Kompetenzzentrum für Bitcoin und kryptographische Währungen in Graz, Lend. Der Automat ist unglaublich einfach zu bedienen. Ich scanne den QR-Code meines Wallets und füttere den Automat in meinem Fall mit einem 20-Euro Schein. Unmittelbar danach erscheint die Zahlung in meinem Wallet.
Kaufen
Bitcoins auszugeben ist mindestens genau so einfach wie sie zu erwerben. Die einzige Herausforderung besteht darin, jemanden zu finden der das Zahlungsmittel akzeptiert. Coinmap.org bietet eine praktische Übersicht der Geschäfte und Lokale welche die Währung akzeptieren.
In der Nähe meiner Grazer Wohnung kann man für Bitcoins zwar ganz gut Essen und Trinken – das skandinavische Lokal Nonna (facebook.com/nonnagraz) am Lendplatz kann ich empfehlen – für den ersten Versuch ist es trotzdem bei einer Pizzabestellung geblieben. Über die Plattform Lieferservice.at kann man sich Essen bestellen und per Bitcoin bezahlen. Anfangs war mir nicht ganz klar wie das mit meinem Smartphone-Wallet funktionieren sollte, es hat sich aber schnell herausgestellt, dass die Funktionsweise gleich ist wie im Lokal. Anstatt nach der Essenswahl meine Kreditkartendaten einzugeben, habe ich den QR-Code mit meinem Handy gescannt, und das Geld überwiesen. Wieder im Bruchteil einer Sekunde. Einfacher habe ich noch nie online bezahlt.
Technologie
Möglich gemacht, wird das Ganze durch ein dezentrales Rechennetz. Die Teilnehmer, welche eine Peer-to-Peer-Software namens Bitcoin Core ausführen und sich über das Internet miteinander verbinden, bilden das Netzwerk. Die Wallets, in denen die Geldbeträge verwaltet werden, sind ein Teil des Bitcoin Core. Über das so genannte Mining können sich Nutzer mit ihrer Rechenleistung an der Aufrechterhaltung des Netzwerkes beteiligen und werden dafür mit Geldbeträgen entlohnt.
Interessanterweise kann dieses System auch offline benutzt werden. Wer sich ein Paper Wallet anlegt, also ein Wallet welches nur in gedruckter Form auf Papier existiert, kann so seine Geldbeträge noch besser vor unautorisierten Zugriffen – zum Beispiel in einem Bankschließfach – schützen.
Insgesamt ist die maximale Geldmenge durch das Netzwerkprotokoll auf 21 Millionen Einheiten festgelegt und kann nicht durch einzelne Teilnehmer beeinflusst werden.
Waren aller Art
Einer der größten Nachteile von Bitcoin ist die relativ geringe Akzeptanz. Diese bessert sich zwar zunehmend – man kann im Prinzip von Lebensmitteln bis Häusern Waren aller Art kaufen – jedoch muss man sich immer erst erkundigen wer das Geld akzeptiert. Genau diese „Waren aller Art“ haben aber auch dazu geführt, dass Bitcoin immer wieder in Verruf gerät. Der Vorwurf, sie würde für illegale Zwecke verwendet, hat sich tatsächlich schon des Öfteren bestätigt. Dies passiert zwar auch mittels jeder anderen Währung, da Bitcoin jedoch die Möglichkeit bietet anonym zu bleiben ist sie die bevorzugte Bezahloption in Darknet-Märkten wie Silk Road oder Agora.
Der Wechselkurs unterliegt im Vergleich zum Devisenmarkt heftigen Kursbewegungen. Deshalb sollte man immer nur so viel seines Vermögens in Bitcoin wechseln, wie man sich leisten kann zu verlieren.
Bausparer
Dieser Aspekt macht Bitcoin derzeit noch zu so etwas wie eine Interims-Währung mit der es unglaublich einfach und billig ist Transaktionen durchzuführen. Sehr viel komfortabler als mit Kreditkarte, Bankomatkarte oder Bargeld. Jedoch ist es nicht die sicherste Währung um sein Erspartes zu lagern.
Da Bitcoin noch jung ist und gerade erst eine breitere Akzeptanz findet, ist es sehr schwierig langfristige Prognosen zu erstellen. In der zweiten Jahreshälfte 2014 hat sich nach heftigem Auf und Ab der Kurs einigermaßen stabilisiert und es wird sich zeigen ob es sich zu einer vollwertigen, stabilen Währung etablieren kann. Die Voraussetzungen dafür wären bereits vorhanden.