Website-Icon TRIFT

Haas is’s!

Aus gegebenen Anlass habe ich mich erneut einem Feature aus dem Jahr 2014 angenommen und mir eingehend Gedanken über unser Medienverhalten gemacht. Der Originaltext beschäftigt sich mit einem Radiohörspiel von Orson Welles, das am Abend des 30. Oktober 1938 Millionen Amerikaner glauben ließ, sie würden von Außerirdischen angegriffen. Daraufhin sind etwa eine Million Menschen panisch aus ihren Häusern gestürmt, wobei es glücklicherweise nur bei Verletzten blieb. Bei einer Wiederholung elf Jahre später in Ecuador nahm die Sendung ein tragisches Ende und kostete sechs Menschen das Leben, nachdem eine Menge wütender Hörer das Radiogebäude in Brand gesteckt hatte.

Die Zahl der Adaptionen von Der Krieg der Welten ist bereits auf 43 angestiegen. Film, TV, Radio, Musik, Spiele, Comics,… der Roman macht vor keinem Genre halt. Dies, sowie die Ereignisse nach den Radioadaptionen, sagen einiges über unser Medienverhalten aus. Der Professor der Psychologie Richard Gerrig äußert sich dazu, es sei normal für Menschen in eine Geschichte einzutauchen. Auch wenn wir den Ausgang einer Geschichte kennen, wie es etwa in allen James Bond Filmen und jeder Sitcom der Fall ist, so empfinden wir dennoch Spannung beim Betrachten.

Daniel Myrick zum Beispiel gibt an, von Orson Welles Hörspiel maßgeblich beeinflusst worden zu sein. Dies habe ihm zu dem Film The Blair Witch Project inspiriert, in dem er den Realitätsbezug – obwohl dieser fiktiv ist – ganz stark in den Vordergrund rückt.

Auch die tagesaktuelle Berichterstattung folgt oft einem ähnlichen Prinzip um Spannung aufzubauen, indem diese etwa besonders reißerisch aufgemacht ist und erst versucht zu schockieren, bevor sie informiert. Dabei wird die Grenze der objektiven Berichterstattung oftmals – bewusst oder unbewusst – überschritten.

Indes muss man nicht immer gänzlich erfundene Geschichten als journalistische Werke verkleiden, um sich dieses Phänomens zu bedienen. Details zu unterschlagen, um die Spannung aufrecht zu erhalten, ist eine gängige Praxis, führt aber oft zu einer verzerrten Darstellung der Wirklichkeit. Um dies zu verhindern regelt Der Ehrenkodex für die österreichische Presse Verhaltensnormen für die Themenbereiche Genauigkeit, Unterscheidbarkeit, Einflussnahmen und Persönlichkeitsschutz betreffend Journalisten die in österreichischen Printmedien publizieren. Interessant ist dabei, dass sich mit der Kronen Zeitung, Heute und Österreich, drei der vier reichweitenstärksten Tageszeitungen Österreichs, nicht zur Einhaltung des Ehrenkodex verpflichten. Auch wenn die Gründe dafür vielschichtig sein mögen, sagt dies einiges über deren Arbeitsweise und Praktiken aus.

Die Entscheidung nicht nach diesen ethischen Richtlinien und Standards zu publizieren steht im Gegensatz dazu, dass sich traditionelle Medien seit nunmehr einigen Jahren als verlässliche Quelle mit großem Wahrheitsgehalt profilieren wollen. Mit mäßigem Erfolg, denn obwohl digitale Medien und Netzpublikationen seit ihrer Entstehung mit teils gegenteiliger Reputation sowie der Tatsache zu kämpfen haben, dass jeder alles veröffentlichen kann, setzen sich diese immer mehr durch. Dies nimmt vor allem Einfluss auf unser Medienverhalten, das nun einen viel kritischeren Umgang sowie ein gewisses Feingefühlt verlangt, um nicht permanent Fehlinformationen zu unterliegen.

Quasi als natürliche Konsequenz darauf sind in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Watchblogs entstanden, die auf Fehlinformationen aufmerksam machen und Richtigstellungen publizieren. Einer davon ist etwa Kobuk.at, dessen Name übrigens auf den großen grönländischen Schriftsteller zurückgeht, den Helmut Qualtinger am 3. Juli 1951 von Reportern und Fotografen am Wiener Westbahnhof mittels einer Presseaussendung empfangen ließ. Aus dem Zug stieg jedoch wieder nur Qualtinger selbst, im Pelzmantel und mit Pelzmütze. Auf die Frage wie ihm Wien gefalle antwortete er mit: „Haas is’s!“

Selbst nach Auffliegen des Scherzes erschienen noch Meldungen wie jene in der Wiener Arbeiterzeitung vom 7. Juli 1951, die über Kobuks angebliche Pläne berichtete, zwei Theaterstücke in Wien aufzuführen und eines verfilmen zu lassen, sowie die Wiener Eisrevue zu einer Grönland-Tournee einzuladen

Orson Welles wusste schon damals von den Gefahren durch die Kommerzialisierung von Nachrichtenmedien und äußerte sich einige Jahre später zu seinem Hörspiel und erläuterte, dass er nicht bloß eine unterhaltsame oder provozierende Radiosendung machen, sondern an einen kritischen Umgang mit dem Medium erinnern wollte. Welles hatte verstanden, dass Nachrichtensendungen so gemacht werden, dass sie nicht nur informieren, sondern auch unterhalten. Diese Tatsache sah er äußerst kritisch, denn in gewisser Weise wird dem Publikum immer das gesagt, was es gerne hören möchte. Oder besser ausgedrückt: Es wird so aufbereitet, wie es das Publikum gerne hören möchte.

Links:

Orson Welles während der Produktion von War of the Worlds (via openculture.com)
Österreichischer Presserat (via presserat.at)
Helmut Qualtinger (via austria-forum.org)
Die mobile Version verlassen