Website-Icon TRIFT

Ludosophie

Viele Angelegenheiten des Lebens begreift man besser als Spiel. Das mag zwar naiv klingen, funktioniert aber meist nicht schlecht. Die Brille des Spiels dient bei der Bewältigung persönlicher Krisen, hilft auf der Suche nach Lebensglück, oder liefert ein besseres Verständnis der uns umgebenden, sozialen Welt.

Spiele sind nicht ernst

Etwas als Spiel zu betrachten bedeutet nicht, es nicht ernst zu nehmen. Jedermensch, der mit Begeisterung einem Brett-, Sport-, Karten- oder Computerspiel nachgegangen ist, kennt das Gefühl in dieser Tätigkeit aufzugehen. Die emotionalen Wogen gehen dabei mitunter auf und ab. Euphorie und Wut geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand, denn es gilt ein Ziel zu erreichen. Beendet man das Spiel, so befindet man sich jedoch wieder im „wirklichen Leben“. Man weiß in der Regel, dass die erlebte, emotionale Achterbahnfahrt im geistigen Raum des Spiels stattgefunden hat. Das Spiel wurde zwar ernstgenommen, existiert jedoch in seiner eigenen Sphäre, die nach außen hin nur bedingt relevant, und dementsprechend wenig ernst zu nehmen ist. Die Emotion ist Spielemotion und von „wirklichen“ Problemen weit entfernt.

Wachsen im Spiel

Ist man kein allzu schlechter Verlierer oder selbstüberzeugter Gewinner, können außerhalb des Spiels bald Konsequenzen für das nächste Match gezogen werden. Man kennt die Regeln, man kennt Manöver und Strategien, Finten und Tricks. Spielerische Betätigung ist eine Herausforderung und lädt zum Lernen ein. Eine kleiner Erfolg oder Mißerfolg mit einem bisher unerprobten Schachzug bereichert die Spielwelt und erhöht die gefühlte Kontrolle, mit der man sich im Spiel bewegt.

Spielen soll Freude machen

Niemand spielt gerne, wenn die Bedingungen nicht passen. Das bedeutet einerseits, dass das Spielniveau nicht zu hoch sein sollte, und andererseits, dass man die Regeln ausreichend kennt. Wer sich bemüht, möchte nicht dauernd Mißerfolge einfahren. Immerhin lebt ein Spiel auch von der Hoffnung, dass man hin und wieder gewinnt oder etwas richtig machen kann.

Auch die Kenntnis der Regeln ist von großer Wichtigkeit für ein gutes Spiel. Die Unwissenheit über die Gründe einer positiv oder negativ sanktionierten Handlung erschweren das Lernen am Tun unermesslich. Der Soziologe Pierre Bourdieu entlarvte beispielsweise die Machtprozesse in gesellschaftlichen Teilbereichen, indem er diese mit „Spielfeldern“ verglich. Ihm zufolge ernten in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft nicht unbedingt die Personen mit dem brilliantesten Geist und fachspezifisch besten Werken die vermeintlich verdiente Prestige und besetzen die obersten Positionen einer Hierarchie. Es sind die besten Spieler, die sich durchsetzen. Sie handeln nach den impliziten Regeln des Spielfeldes, wissen um die Dos&Don’ts, die angemessene Weise, sich zu präsentieren, und können Freund und Feind instinktiv voneinander unterscheiden. Für einen Neuling im Spiel erschließen sich diese Regeln oft nicht, und alle Bemühung scheint vergebens, aller Einsatz umsonst. Der Blick auf die Tatsache, dass es im Kunstbetrieb nicht nur um Kunst geht, in der Wissenschaft nicht nur um Wissengenerierung, in der Politik nicht um Volksvertretung, etc., erlaubt es, diese Spiele ein wenig nüchterner zu sehen.

Das Leben als Spiel

Im Spiel werden schwere Angelegenheiten leicht und komplizierte Dinge einfach. Spielen distanziert vom Ernst des Lebens. Das mag sich noch immer äußerst naiv anhören. Es soll aber dazu auffordern, sich selbst zu fragen, ob man im Leben wirklich Probleme hat, oder sich in Angelegenheiten versteift, die man eigentlich gar nicht so tragisch nehmen will. Es soll dazu auffordern, sich zu fragen, ob man überhaupt die richtigen Spiele spielt, man die Regeln kennt, oder ob das Spielniveau nicht zu hoch oder zu niedrig ist.

Als Kind hätte man die meisten Spiele, die auf Dauer keine Freude bereiten, vermutlich einfach nicht weitergespielt, und sich in andere Spiele gestürzt, bei denen man die Welt um sich vergisst. Wenn’s ein gutes Spiel ist, verausgabt man sich freiwillig, lebt gerne mit Schrammen und Verletzungen, macht einfach weiter – Scheitern ausgeschlossen, oder wie es Queens of the Stoneage formulieren: „I want a new mistake, to lose is more than hesitate“.

Die Kinderspiele (Pieter Bruegel der Ältere / 1560 / wikimedia commons)
Die mobile Version verlassen