Website-Icon TRIFT

We interrupt this program…

Angriff der Marsianer in Krieg der Welten. Buchillustration von Alvim Corréa aus dem Jahr 1906 (Wikimedia Commons)
Angriff der Marsianer in Krieg der Welten. Buchillustration von Alvim Corréa (Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Am Abend des 30. Oktober 1938 sind etwa eine Million Amerikaner panisch aus ihren Häusern gestürmt. Sie waren überzeugt von Außerirdischen angegriffen zu werden. Letztlich war es nur eine Radiosendung die das Chaos verursacht hatte. Damals blieb es bei Verletzten, bei einer Wiederholung elf Jahre später nahm die Sendung ein tragisches Ende…

Orson Welles und das Mercury Theater haben den Roman Der Krieg der Welten von H. G. Wells aus dem Jahre 1898 als Hörspiel adaptiert. Die Handlung ist einfach: Marsianer greifen in dreibeinigen Kampfmaschinen das Vereinigte Königreich an, um von hier aus die Erde zu erobern. Das Militär ist den Außerirdischen hoffnungslos unterlegen und muss bei der Zerstörung der Städte zusehen. Erst die Bakterien der Erde können die Marsianer durch deren nicht angepasstes Immunsystem besiegen.

Der New Yorker Radiosender CBS strahlte die Sendung am Vorabend von Halloween 1938 aus. Statistisch gesehen hat einer von zwölf Hörern nicht verstanden, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt.

We interrupt this program…

Orson Welles (Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Welles war nicht angetan von der Idee seines Produzenten Der Krieg der Welten als Hörspiel zu adaptieren. Er war der Meinung das Buch sei langweilig, die Geschichte spiele vor 50 Jahren und jeder wisse, dass sie nie passiert sei. Also hat Welles die Geschichte auf 1938 upgedated und den Handlungsort von England nach Grover’s Mill (New Jersey) in den USA verlegt.

Dabei nutzte er die Charakteristika der sich damals stark verändernden Medienlandschaft. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war die politische Situation in Europa unstabil. Der Zweite Weltkrieg stand vor der Tür. Um über die Situation in Europa möglichst zeitnah zu berichten, begann CBS im November 1938 damit das reguläre Radioprogramm immer wieder mit aktuellen Meldungen zu unterbrechen. Diese Unterbrechungen wurden so häufig, dass Meldungen sozusagen mit Meldungen unterbrochen wurden. Genau diese Unterbrechungen benutzte Welles als Stilelement um seinem Hörspiel eine realistische Note zu verleihen.

Das Radiopublikum hörte ein wenig aufregendes Musikprogramm das immer wieder vom Moderator unterbrochen wurde, um die neuesten Nachrichten zur Invasion zu verbreiten. Abgesehen von der gut zwei Minuten langen Einleitung gab es keinen Hinweis mehr darauf, dass es sich um ein Hörspiel handelte. Mit jeder Unterbrechung wurden weitere Interviews mit Augenzeugen, Experten und Staatsvertretern eingespielt.

Die Einspielungen der Reporter waren maßgeblich von der Berichterstattung des Hindenburg-Absturzes beeinflusst, der ein Jahr zuvor passiert war. Immer wieder waren inszenierte Störungen und Übertragungsunterbrechungen zu hören. Zum Beispiel sind erst noch die hysterischen Schreie des Reporters, der darüber berichtete wie die Außerirdischen alles zerstören zu hören und plötzlich Stille.

Panik

Wie viele Menschen an diesem Abend wirklich in Panik gerieten ist umstritten. Die Berichte über Suizide ließen sich nicht verifizieren und sind jedenfalls mit Vorsicht zu genießen. Gesichert hingegen ist, dass bei der Polizei etwa 2.000 Anrufe in unter zwei Stunden eingegangen sind. Bei der Vermittlung der New York Times gingen über 800 Anrufe ein. Die Menschen wollten wissen wo sie sicherer wären: Auf dem Dach oder im Keller. Die Antworten der Vermittler waren immer ähnlich: „Wir wissen genau so viel wie Sie. Lassen Sie ihr Radio eingeschalten und folgen Sie den Anweisungen!“

Wie sich in einer Erhebung eines Soziologen der Princeton University zeigte, haben viele der Hörer vermutet die Marsianer wären in Wirklichkeit die Deutschen welche in die USA einmarschierten.

Erst am Ende der Sendung richtet sich Orson Welles direkt an das Publikum mit der Benachrichtigung, das Gehörte sei lediglich ein Hörspiel gewesen.

Folgen

Welles und sein Produzent John Houseman waren sich der Folgen ihres Hörspiels zunächst nicht bewusst. Als sie am nächsten Morgen die Zeitungen lasen dachten sie – zumindest für ein paar Stunden – sie seien Massenmörder, so Houseman. Welles und Houseman wurden gar als Terroristen dargestellt; als Radioterroristen.

Die ganze Geschichte wurde von den Tageszeitungen stark aufgeblasen. Diese fühlten sich vom damals relativ neuen Medium Radio bedroht, da viele Leser von der Zeitung zum Radio wechselten um sich zu informieren. Die Zeitungsverlage sahen dies als Gelegenheit sich als verlässliches Nachrichtenmedium darzustellen und das Radio zu verteufeln.

We interrupt this program for a second time…

Quito, die Hauptstadt von Ecuador liegt auf 2850 Metern Seehöhe, mitten in den Anden. 1949 lebten etwa 250.000 Menschen in der höchstgelegenen Hauptstadt der Welt. Der bei dem damals populärsten Radiosender in Quito Beschäftigte Dramaturg Leonardo Páez war damit beauftragt ein neues Hörspiel ins Leben zu rufen. Nach einer Idee von Eduardo Alcaraz übersprang Páez gleich den Roman von H. G. Wells und bediente sich des Skriptes von Orson Welles.

Páez passte die Szenerie seiner Umgebung an. Statt auf New Jersey landeten die Marsianer in Cotocallao, etwas außerhalb von Quito. Schauspieler inszenierten Interviews von Regierungsbeamten, ecuadorianischen Experten sowie einen Interviewbeitrag mit dem Bürgermeister von Quito, der ebenfalls von einem Schauspieler eingesprochen wurde.

Páez schaffte es auch in der größten und renommiertesten Tageszeitung Ecuadors, die nebenbei auch Radio Quito betrieb, in den zwei Tagen vor der Ausstrahlung kurze Artikel über Sichtungen von obskuren Flugobjekten über Quito zu veröffentlichen.

Am Abend des 12. Februar 1949, während einer Musiksendung mit den Populären Sängerduo Luis Alberto ‚Potolo‘ Valencia und Gonzalo Benítez wurden die Hörer plötzlich von „wichtigen Meldungen“ unterbrochen, in denen Páez sein aufwendig produziertes Hörspiel übertrug. Leider sind alle Aufzeichnungen der Sendungen zerstört worden.

Panik #2

La guerra de los mundos war ein voller, wenn auch trauriger Erfolg. Páez erreichte genau was er wollte: Die Menschen glaubten was sie hörten. Schon nach kurzer Zeit war das Chaos in den Straßen von Quito ausgebrochen. Die Menschen rannten aus ihren Häusern, wussten jedoch nicht wohin sie fliehen sollten. Die Raumschiffe sollten nördlich der Stadt gelandet sein, eine Giftgaswolke solle von Süden heran ziehen. Viele eilten in eine der Kirchen um sich ihrer Sünden zu erleichtern. Es wird berichtet, dass ganze Menschenmengen gleichzeitig die Absolution erhielten.

Auch das Militär war überzeugt von der Wahrheit der Berichte und machte sich mit einem Konvoi aus Lastwägen voller Soldaten auf den Weg nach Cotocallao, wo angeblich die Marsianer gelandet wären.

Nachdem weder Außerirdischen noch Giftgas zu finden waren und sich die Nachricht verbreitete, es handle sich um falsche Berichte, verwandelte sich die Angst der Menschenmassen die auf die Straßen gestürmt waren, sehr schnell in Wut. Schon nach kurzer Zeit fanden sich einige hundert Menschen vor dem Gebäude des Radiosenders und versuchten dieses zu stürmen. Erst zerschlugen sie mit Steinen die Fensterscheiben, bevor sie mit Fackeln das Gebäude in Brand steckten.

 

Folgen #2

Der Großteil der Radiomitarbeiter konnte sich über das Dach auf ein benachbartes Gebäude retten, sechs Menschen kamen jedoch ums Leben.

Der letzte Mensch der an diesem Abend auf Sendung war, hieß Luis Beltran. Er moderierte die Musiksendung die nach La guerra de los mundos lief. Über das Radio flehte er um Hilfe, die allerdings nie kam, da die Polizei und das Militär noch auf dem Weg in den Norden waren um die vermeintlichen Marsianer zu bekämpfen. Beltran überlebte nur schwer verletzt.

Páez hingegen konnte über das Dach entkommen, tauchte für einige Tage unter und floh schließlich nach Venezuela um niemals zurück zu kehren.

We interrupt this program for a third time…

Die Geschichte kennen wir schon, deshalb halte ich mich kurz: Buffalo 1968 auf dem Höhepunkt des Vietnam-Kriegs. WKBW strahlte eine erneut angepasste Version von Der Krieg der Welten aus. Die Struktur von Orson Welles Hörspiel wurde wieder beibehalten. Und wieder glaubten viele Hörer an eine echte Berichterstattung.

Panik #3

Die Peace Bridge in Buffalo (Óðinn, Wikimedia Commons, GNU  Free Documentation License)

Obwohl WKBW die Sendung ausgiebig als Hörspiel beworben hatte und auch alle paar Minuten während der Übertragung darauf hingewiesen wurde, glaubten viele Menschen was sie hörten. Darunter ein lokales Nachrichtenblatt, einige Polizeidepartements sowie das kanadische Militär, das mit Truppen zur Peace Bridge, der Rainbow Bridge und der Queenston Bridge auszog um ein Eindringen der Marsianer in Kanada zu verhindern.

Bei der Polizei in Buffalo gingen über 4.000 Telefonanrufe ein.

Folgen #3

Immerhin kamen bei der Version von WKBW keine Menschen zu Schaden, weshalb sich auch die Folgen in Grenzen hielten.

Medienverhalten

Die Zahl der Adaptionen von Der Krieg der Welten ist bereits auf 43 angestiegen. Film, TV, Radio, Musik, Spiele, Comics,… der Roman macht vor keinem Genre halt. Dies, sowie die Ereignisse nach den Radioadaptionen sagen einiges über unser Medienverhalten aus. Der Professor der Psychologie Richard Gerrig äußert sich dazu, dass es normal ist für Menschen in eine Geschichte einzutauchen. Auch wenn wir den Ausgang einer Geschichte kennen, wie es etwa in allen James Bond Filmen oder jeder Sitcom der Fall ist, so empfinden wir dennoch Spannung beim Ansehen.

Daniel Myrick zum Beispiel, gibt an von Orson Welles Hörspiel maßgeblich beeinflusst worden zu sein. Dies habe ihn inspiriert The Blair Witch Project zu drehen, in dem er den Realitätsbezug – obwohl dieser fiktiv ist – ganz stark in den Vordergrund rückt. Im Vorspann des Films ist zu lesen:

Im Oktober 1994 verschwanden drei Studenten in den Wäldern von Burkittsville, Maryland, beim Dreh eines Dokumentarfilms. Ein Jahr später wurden ihre Filmaufnahmen gefunden.

Orson Welles äußerte sich einige Jahre später zu seinem Hörspiel und erläuterte, dass er nicht bloß eine unterhaltsame oder provozierende Radiosendung machen wollte sondern an einen kritischen Umgang mit dem Medium erinnern wollte. Welles hat verstanden, dass Nachrichtensendungen so gemacht werden, dass sie nicht nur informieren sondern auch unterhalten. Diese Tatsache sah er äußerst kritisch. In gewisser Weise wird dem Publikum immer das gesagt was es gerne hören möchte. Oder besser ausgedrückt: Es wird so aufbereitet wie es das Publikum gerne hören möchte.

Die mobile Version verlassen