Swasiland [Swaziland] ist ein kleiner Staat zwischen Südafrika und Mosambik. Obwohl es landschaftlich wunderschön ist und eine reichhaltige Kultur besitzt, ist es außerhalb seiner Grenzen für einen sehr traurigen Rekord bekannt: Swasiland hat die höchste Rate an HIV-Infizierten weltweit. Je nach Quelle beträgt die Rate zwischen 26 und 42 Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine weitere Tatsache weswegen Swasiland immer wieder mediale Aufmerksamkeit findet ist, dass es eine der letzten absoluten Monarchien weltweit ist.
Aus diversen, vor allem westlichen, Medienquellen kann sich Rezipienten ein Bild von Gewalt und Tyrannei im Königreich ergeben. Argumentiert wird, wie so oft, mithilfe zahlreicher Indikatoren und Merkmale. Ins Feld geführt werden ein zu geringes Pro-Kopf-Einkommen, das legale Bestehen des traditionellen Gesundheitssystems (magische Heiler) neben zu wenigen schulmedizinischen Einrichtungen, und der ausladende Lebensstil des Monarchen. Schuld am Niedergang des Landes trägt, laut einigen dieser Berichte, der allmächtige König, denn Demokratie sei heute der Maßstab aller Dinge, und nach Meinung vieler ist oder muss alles andere schlecht sein.
Meiner Meinung nach muss all dies mit Vorsicht betrachtet werden, und eine qualifizierte Meinung kann man sich sowieso kaum bilden. Was bedeuten diese Indikatoren, wenn die Lebenssituation der Menschen nicht beachtet oder verstanden wird? Wenn in Swasiland eine ausgeprägte Agrarkultur vorherrscht, in der die Menschen subsistent vom eigenen Ackerbau leben, verliert das monetäre Einkommen der Einwohner tendenziell an Wichtigkeit. Wenn man schon den freien Willen der Menschen hochhält, so muss es auch legitim sein, wenn diese lieber zum Hexendoktor gehen, als sich mit einer Medizin behandeln zu lassen, dessen Grundlagen absolut fremd sind.
Die zunehmende Politisierung der Öffentlichkeit hatte in den letzten Jahrzehnten zu einigen Unruhen geführt, die teilweise blutig niedergeschlagen wurden. Der König vertritt die Meinung, dass das Land weiterhin absolutistisch regiert werden sollte, um Stabilität und den Schutz des Volkes garantieren zu können. Dementsprechend wird auch die Formierung politischer Bewegungen auch weitgehend unterdrückt. Das hört sich bedrückend an. Was mich aber mindestens genauso bedenklich stimmt, ist das strenge Diktat der westlichen Zivilisation.
Ich habe weder ein ausführliches Forschungsunternehmen betrieben, noch exzessive Recherche, doch während eines dreitätigen Aufenthalts in Swasiland habe ich mit einigen Swazis gesprochen und sie gefragt, was sie von ihrem König halten. Sie decken ihren König, obwohl sie wissen, dass er sich in der Vergangenheit einiges Ungebührliches geleistet hat und verschwenderisch war. Sie wissen um die schwierige Situation im eigenen Land und kennen die Forderungen aus dem Ausland nach parlamentarischer Demokratie. Doch sie glauben an ihren König, wenn er sagt, er beschütze das Land und die Kultur. Sie wissen, dass sich der König davor fürchtet, weiterhin Fehler zu machen. Seit einigen Jahren versuche er deswegen, ein guter Herrscher zu sein. Ansonsten würde er von Innen, also der eigenen Bevölkerung, abgesetzt werden, da sie die Rückendeckung des Westens spürt.
Wenn es wirklich so ist, wie mir erzählt wurde (und das ist natürlich nicht repräsentativ), so halte ich die rigide Forderung nach Demokratie für bedenklicher als viele andere Dinge. Das Problem mit HIV/AIDS wird anscheinend seit einigen Jahren mithilfe von UN-Institutionen und NGOs besser in Griff bekommen. Viele der „guten“ westlichen Staaten stellen ihre Hilfe jedoch unter die Bedingung der Übernahme ihres demokratischen Systems. Mit diesem System einher geht meist die schleichende Herrschaft des Geldes, die unhinterfragte Übernahme einer ungezügelten, freien Marktwirtschaft, und der damit der verbundene Niedergang althergebrachter, kultureller (Über-)Lebenssysteme.
Ich war (kurz) in diesem Land, ich habe mit einigen Menschen gesprochen, habe keine herzzerreißenden Bilder leidender, afrikanischer Kinder gesehen, und muss sagen, dass ich es nicht verstehe, was dort vorgeht, und was man besser oder anders machen kann. Wenn manch‘ Autoren glauben, auf Basis viel weniger Information, fordern und urteilen zu können, finde ich das oft ein wenig anmaßend.