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No Sports (im TV)

Testbild Fersehen

Es läuft kein Sport mehr im Fernsehen. Und mir geht nichts ab. Das ist erstaunlich.

Testbild FS2 ORF

Sicher, seit das Coronavirus die Sportwelt k.o. gehauen hat, laufen im Fernsehen ständig Wiederholungen historischer Spiele und wer sich mal richtig gruseln will, kann sich Horrorklassiker wie Österreich-Algerien bei der WM 82 anschauen. Aber im Großen und Ganzen ist nicht zu leugnen, dass wir in einer fernsehsportfreien Zeit leben. Das sollte mich eigentlich unruhig machen, denn ich bin quasi Fernseh-Leistungssportler in dritter Generation. Schon mein Opa war in der Familie berühmt-berüchtigt dafür, dass er auch um 4 Uhr aufstand, wenn die Formel-1-Übertragung es verlangte. Und all die Tage und Nächte, die ich mir mit Fußball-WMs, Superbowls, NBA-Finals oder WrestleManias um die Ohren geschlagen habe, kann ich gar nicht zählen. Und will ich auch nicht missen, denn es war großteils wunderbar verbrachte Zeit, besonders natürlich das gemeinsame Mitfiebern vor dem Schirm mit Familie und Freunden.

In den 90ern war Fußball im Fernsehen noch pure Magie: Hans Huber warnt vor den Schweeeden. (youtube.com)

Deshalb hätte ich gedacht, dass mir das alles jetzt ziemlich abgehen würde. Aber Pustekuchen. Einerseits ist das Angebot an anderen Ablenkungen größer denn je (Hallo, Disney+ und Xbox Game Pass!). Andererseits merke ich, dass es nur der im weiteren Sinne aktiv praktizierte Sport ist, der mir wirklich abgeht. Wenn ich nicht regelmäßig laufen gehen könnte (gibt es eigentlich ein schöneres Oxymoron als „laufen gehen“?), wär ich schon die Wände hochgegangen. Und den Stadionbesuch, das gemeinsame Biertrinken, Mitfiebern, Singen und Mosern, wenn unsere Helden es unten auf dem Rasen mal wieder vergeigen, das vermisse ich echt. Aber Sport im Fernsehen? Keine Spur. Und da frage ich mich unweigerlich, wie vielen anderen es auch so geht? Und was das für Nach-Corona-Zeiten bedeutet, wenn dann wieder die Bälle getreten, geworfen und geschlagen werden, wenn die Motoren heulen, die Catcher schwitzen und die Skier flitzen?

Im Moment sieht es ja so aus, als würden wir auch dann noch länger auf die gewohnte Stadionatmosphäre verzichten müssen, und zwar nicht nur im Stadion, sondern auch vor dem Fernseher. Jetzt hat man gerade beim internationalen Spitzenfußball oder beim US-Sport zwar eh schon länger das Gefühl, dass mehr fürs Fernsehen gespielt wird als für die Leute im Stadion. „Geisterspiele“ ohne Publikum sind aber auch im TV so attraktiv wie ein Wadenkrampf. Und selbst wenn man sie angesichts der astronomischen Fernsehgelder, die auf dem Spiel stehen, mit der Brechstange durchdrückt, ergibt sich daraus von der praktischen Durchführbarkeit mal ganz abgesehen ein Rattenschwanz an Fragwürdigkeit: Will und darf man diese Spiele wirklich im Pay-TV zeigen, während man gleichzeitig Fans, die für diese Saison bereits Dauerkarten gekauft haben, aussperrt? Oder zeigt man’s im freien Fernsehen? Aber warum sollten die Bezahlsender dafür dann noch Geld rausrücken?

Vor allem aber: Wie Eltern, die einen zum Schwimmen lernen kurzerhand ins tiefe Wasser werfen, erteilt uns Covid-19 gerade eine Lektion auf die harte Tour. Darüber, was uns im Leben wirklich wichtig ist. Und jeden Abend ein Fußballspiel oder ein anderes hysterisch beworbenes Sportereignis vorm Fernseher zu verfolgen, gehört eher nicht dazu. Was also, wenn die Massen gerade draufkommen, dass sie auf den ganzen globalisierten Fernsehsport gut verzichten können, egal wie marktschreierisch er präsentiert wird? Wird dann das irrwitzige, aufgeblähte System in sich zusammenfallen wie ein missglückter Gugelhupf? Werden Vereine künftig wieder vom Fleischer ums Eck gesponsort statt vom Scheich aus Katar?

Ich weiß es nicht. Allerdings habe ich gemerkt, dass ich bei aller Sportbegeisterung oft genug nur eingeschaltet habe aus Angst, etwas zu verpassen. Dass etwa Liverpool spielte oder die Superbowl lief und ich nicht vorm Fernseher „dabei“ war. Und ehrlich gesagt setzte eine gewisse Überdrüssigkeit dem Ganzen gegenüber schon vor Corona bei mir ein. Covid-19 war nur der Brandbeschleuniger. Ich nehm für mich jedenfalls die Erkenntnis mit: Etwas, das dir nur abgeht, wenn es ist und du es nicht siehst, nicht aber, wenn es gar nicht ist, geht dir nicht wirklich ab, oder?

In diesem Sinne sage ich mit Schneckerl Prohaska dem Fernsehsport: Gute Nacht!

GUTE NACHT!

Quellen / Links

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