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Verfolgen und Einsperren

Obwohl es in diesem kleinen Bericht nur um Datenmissbrauch im Internet geht, ist die Dramatik des gewählten Titels beabsichtigt – zum Aufrühren. Viele Menschen bewegen sich fast täglich im Internet. Informieren sich also, telefonieren, chatten, kaufen ein oder lassen sich berieseln. Das Internet ist praktisch und unterhaltsam. Weniger Menschen scheinen sich dafür zu interessieren, dass das Verhalten der Internetbenutzer fast permanent aufgezeichnet wird – und dafür, dass das auch Konsequenzen hat.

Tracks (Wikipedia)

Zwar entsteht langsam ein Bewusstsein dafür, nicht allzu freigiebig mit seinen persönlichen Daten im Internet umzugehen: Die Daten, mit denen man die bevorzugten sozialen Netzwerke füttert, sollen nicht mehr für jedermann einsehbar sein, man überlegt zweimal, welche Bilder man veröffentlicht, da man mittlerweile begreift, dass das Netz nichts vergisst, und man meldet sich nicht mehr bei jedem x-beliebigem Dienst im Internet an.

Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung und meist motiviert von der Angst, dass bekannte oder aber auch unbekannte Menschen zu viel über einen selbst wissen. Es ist aber auch gut, etwas darüber zu wissen, wie Daten gesammelt, verknüpft und verwendet werden – von Servern, Algorithmen und sonstigen Automaten.

Im Netzjargon bedeuten die Begriffe „Tracking“ und „Bubbling“ salopp übersetzt nichts anderes als Verfolgen und Einsperren. Tracking beginnt oft dabei, dass man heutzutage für die effiziente Nutzung der Dienste von Google, Apple, Facebook oder anderer Diensteanbieter mit eigenem Namen eingeloggt sein sollte. Will man ein Tablet oder Smartphone mit iOS oder Android ohne Einschränkung nutzen, muss man eingeloggt sein. Das verwendete Benutzerprofil dient nunmehr dem Sammeln von Daten. Unter anderem wird erfasst welche Apps heruntergeladen und welche Bilder betrachtet werden, nach was beim Browsen recherchiert wird, mit wem man befreundet ist, über welche Themen man sich mit anderen unterhält, was man einkauft, etc.

Es gibt deswegen auch einige Menschen, die sich ungern bei solchen Diensten anmelden, wenig persönliche Daten eingeben, oder „gefakte“ Daten verwenden. Bei durchschnittlicher Verwendung des Internet schützt  dies aber wenig davor, getrackt zu werden. Auch ohne Anmeldung merken sich Suchmaschinen wie Google, auf welchem PC nach welchen Themen gesucht wird, auf welche Seiten man anschließend wechselt und was man auf vielen anderen Seiten im Netz so treibt. Die Überwachung anderer Seiten geschieht dabei meist über die viral vorhandenen Werbeanzeigen, die auf anderen Seiten angezeigt werden, und von Google bereitgestellt sind. Als Gegenleistung bekommt Google das Verhalten des Nutzers auf der anderen Website, Geld oder beides. Wird das Verhalten des Nutzers lange genug analysiert, so entsteht in den Augen des Datensammlers (in diesem Beispiel Google) ein Profil. Zwar ist der Name des Nutzers vielleicht noch unbekannt, doch Informationen über Hobbies, Gespräche, Krankheiten, Arbeitgeber, typische Aufenthaltsorte, etc. lassen sich zu einem eindeutigen Benutzerprofil verdichten, das sich auch auf anderen Zugangsknoten wiederfinden lässt, wenn man nur lange genug beobachtet.

Man wird also permanent verfolgt. Auch wenn man Google beispielsweise nicht nutzt, könnte  Google wissen, dass der typische Nicht-Benutzer von Google (sucht mit Yahoo), der in Wien Türkisch studiert (besucht regelmäßig die Institutsseite der Uni), seinen Mail-Account bei web.at hat und hin und wieder die Flugpreise für Wien-Madrid überprüft (da dort vermutlich die Mutter wohnt), seit zwei Wochen in eine andere Wohnung umgezogen ist und dort einen anderen Computer verwendet. Mit diesem „getrackten“ Profil wird man nun „gebubbelt“: Google weiß, dass diese Person, die zu 99.2% Maria heißt und weiblich ist, zu 87% lange schwarze Haare hat, und ca. von 700 Euro im Monat lebt, sich gerne neue Schuhe von X&Z kaufen würde. Maria weiß das noch gar nicht, doch sie sieht, wenn sie im Internet surft, dass diese hippen Schuhe von X&Z bei RAVLANDO.ORG nur 37 Euro kosten würden – also genau so viel, wie sie bereit wäre auszugeben – ohne das selbst zu wissen.

Man könnte nun sagen, so wie Google die Sache mit dem Tracken&Bubbeln argumentiert, dass personalisierte Werbung gut für Maria ist. Sie freut sich, genau die Schuhe gefunden zu haben, die sie wollte um den Preis den sie für gerecht hält. Doch sie freut sich nur in der „Bubble“ ihres Profils, denn Josefa hat die gleichen Schuhe um 34 Euro angeboten bekommen, da sie, laut ihrem Profil, nicht mehr ausgegeben hätte.

Josefa verliert sich jedoch in einem anderen Problem der Bubble. Sie sucht eine neue Hose und will sich durch eine Internetsuche inspirieren lassen. Da sie in der Vergangenheit mehrere Sporthosen von Nike gekauft hat, bekommt sie „personalisierte“ Suchergebnisse und sieht viele Hosen, die ihr gefallen, weil sie ihr bisher gefallen haben und die sie wahrscheinlich kaufen wird. Auf ihren Traum, einmal eine Latzhose zu kaufen, vergisst sie dabei ganz – und dass die „Hosen“ auch ein Volksstamm im Urwald von Papua-Neuguinea sein könnten wird Josefa sowieso nie erfahren. Warum auch den Horizont erweitern, wenn die Menschen so glücklich sind in der kleinen Welt, in der sie leben?

Horizont in der Bubble

Hochqualitative Daten sind natürlich auch viel Geld wert. Um zu illustrieren warum, könnte man auch folgendes Beispiel anführen:

Ein Pharmakonzern wird auf ein bestimmtes Krankheitsbild aufmerksam, unter dem zwei Millionen Menschen in den westlichen Ländern leiden, und überlegt ein Medikament dagegen zu entwickeln. Da die Entwicklung sehr teuer ist, werden Daten bei einem zuverlässigen Datenhändler eingekauft. Das Ergebnis zeigt, dass 70 Prozent aller von dieser Krankheit betroffenen einer unteren Einkommensschicht angehören. Die Entwicklung würde sich erst in sechs bis acht Jahren amortisieren. Im Portfolio des Datenhändlers findet sich aber auch ein spezielles Angebot für Pharmakonzerne: Es wurde errechnet, dass eine Menge von 10 000 Menschen in Europa und den USA zu 97 Prozent mehr als 70 Euro pro Monat für ein Medikament gegen Zahnverfärbung nach dem Konsum von Kaffee ausgeben würden. Wie und wo dies beworben werden soll, damit es sich die Entwicklung in zwei Jahren amortisiert, ist das käufliche Produkt des Datenhändlers, der für eine gute Bezahlung den Absatz des Medikaments wie vorhergesagt garantiert. Der Pharmakonzern entscheidet sich mit seinem Jahresbudget für die Entwicklung des Letzteren, da die Gewinnmarge höher, die Amortisationszeit geringer, und die Umsatzprognose präziser ist. Und alle sind glücklich: Der Datenhändler, der Pharmakonzern und die zahlungskräftigen Kaffeetrinker.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist diese Entscheidung leicht nachvollziehbar, moralisch könnte man es jedoch für verwerflich halten, dass das Streben des Anbieters von „Gesundheitsprodukten“ so viel mehr dem Profit als der Erhöhung der Lebensqualität vieler Menschen dient. Vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass die erwähnten zwei Millionen Menschen auch bezahlt hätten – nur eben weniger. Auch sind sie schwerer durch die gegebenen Werbemedien erreichbar. Die tausenden  Pharmazeuten, die in den Laboren der Pharmakonzerne tätig sind, entwickeln sicher auch lieber Produkte für eitle als für kranke Menschen.

Natürlich ist diese Geschichte ein wenig dramatisiert. Doch in nächster Zeit werden wir noch viel verfolgt und eingesperrt werden. Wichtig ist, nicht blind in der Welt herumzulaufen und zu glauben, dass sich schon irgendwer darum kümmern wird, dass alles gut wird. Nur das Bewusstsein Vieler bringt die Dynamik für gesellschaftliche Veränderungen – sei es durch  strengere gesetzliche Regelungen für den Datenschutz, einem vertrauensvolleren Umgang mit persönlichen Daten durch Konzerne, staatlichen Einrichtungen und Gesundheitsinstitutionen, oder besser konfigurierte Internetapplikationen.

Weiterführende Links

ORF: Die Schattenindustrie des Datenhandels
Heise: Das Like-Problem
Don’t track us
Don’t bubble us

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