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Afrikanisches Tagebuch #4 Masai Mara

Masai Mara, 06. – 09.09.2019

Am 06.09. ging es bereits frühmorgens los, um gegen Mittag in der Masai Mara, dem kenianischen Teil der Serengeti, anzukommen. Palvi und ich beluden den Landrover und fuhren zunächst zu Palvis Cousin Suresh und dessen Frau Preetha, welche uns begleiteten. Suresh und Preetha wohnen in einem enormem Haus im Landhausstil inmitten eines riesigen Gartens am Stadtrand von Nairobi. Generell glichen die Häuser, je mehr wir uns der Peripherie näherten, immer mehr Villen und die sie umgebenden Gärten zunehmend Parkanlagen. Alle zusammen gepackt, verließen wir Nairobi, wobei sich die Villenviertel schleichend in eine typische Vorortelandschaft großer Städte in Nichtindustrienationen verwandelte. Die Straße wurde beiderseits von breiten unbefestigten Streifen gesäumt, die sich unzählige Fußgänger, Fahrzeuge, Marktstandler und Tiere aller Art in einer chaotischen Koexistenz teilten. Begrenzt wurde dies von größtenteils unverputzten, niedrigen Beton- und Ziegelhäusern mit Flachdächern, auf denen bunte, oftmals handgemalte Schilder über deren Nutzung informierten. Langsam wurde das Chaos lichter, die Bebauung weniger und die Umgebung grüner. Wir fuhren nun durch eine leicht hügelige, landwirtschaftlich stark genutzte Landschaft, unterbrochen von dichten Laubwäldern. Die ersten dreißig Kilometer war die Straße fast eine durchgehende Baustelle, denn die Ausfahrtstraßen Nairobis werden gerade intensiv, wie fast alles hier von chinesischen Unternehmen, ausgebaut. Dementsprechend stockend ging es voran. Nach dreißig Kilometern hörten die Baustellen auf und ebenso unvermittelt brach das Land plötzlich vor uns ab und gab den Blick auf eine tief unter uns liegende, schier unendliche savannenartige Ebene frei: den ostafrikanischen Grabenbruch, jene gewaltige tektonische Verwerfung, die Afrika vor etwa 20 Millionen Jahren fast entzwei gerissen hätte.

Auf der sich den Abhang entlang windenden Straße ging es nun hinunter in diesen natürlichen Backofen, vorbei an Souvenirständen mit Aussichtsterrassen und einer italienischen Kirche, welche 1942 von italienischen Kriegsgefangenen gebaut worden war.

Leider bekam ich von der beeindruckenden Szenerie nicht allzu viel mit, da mich seit dem Vorabend Bauchkrämpfe quälten. Am Tag zuvor hatte ich aufgrund des frühen Aufbruchs in den Nairobi Nationalpark vergessen, meinen prophylaktischen Morgenschnaps zu trinken, und am Abend war meine Verdauung bereits dermaßen gestört, dass ich es auch nicht mehr nachholen konnte. So litt ich ziemlich während der unruhigen Fahrt und aß nur lustlos ein paar Bananen.

Wir kamen schließlich nach Narok, der letzten Stadt vor der Masai Mara, wo wir Halt machten und uns etwas die Füße vertraten. Bald nach Narok entdeckte ich die ersten Zebras neben der Straße grasen. Die letzten Kilometer bis zum Sekenina-Tor des Naturreservats sind nicht asphaltiert und die Fahrt über die äußerst schlechte Schotterpiste gleicht einem Martyrium, vor allem, wenn man Bauchkrämpfe hat.

Am Parkeingang werden alle Ankommenden sofort von Masaifrauen in bunten, traditionellen Gewändern belagert, die ihr Kunsthandwerk verkaufen möchten. Ist man an ihnen einmal vorbei gekommen und hat den Parkeintritt bezahlt, kommt man in eine andere Welt. Sofort nach dem Parktor fühlt man sich wie in einem riesigen Zoo ohne Gehege. Unzählige Antilopen, Gnus, Zebras, Warzenschweine, Giraffen, Büffel und Elefanten stehen/gehen/laufen/liegen überall in der Gegend herum, wohin man auch schaut. Vor einem dehnt sich eine schier endlose, leicht hügelige Savanne aus, aus der sich vereinzelt Inselberge erheben. Die erste Pirschfahrt beginnt bereits mit der Einfahrt in das Reservat. Bis wir nach etwa eineinhalb Stunden die knapp 40 Kilometer zu unserer Lodge, welche inmitten des Reservats direkt an einer Biegung des Mara-Flusses lag, zurückgelegt hatten, hatte ich mehr gesehen und Eindrücke zu verarbeiten, als ich mir je zu träumen gewagt hatte. In der Lodge wurden wir freundlichst begrüßt und sofort zum Mittagsbuffet gebeten. In Anbetracht dessen fiel mir erst wieder ein, dass meine Verdauung ja verrückt spielte, was ich ob der spektakulären Anfahrt vollkommen vergessen hatte. Das Buffet war reichhaltig wie die Fauna der Mara und bot alles, was man sich nur wünschen konnte. Da ich leider zur Diät gezwungen war, musste ich mich auf einfache Kost beschränken, welche aufgrund reichhaltiger Suppen-, Gemüse-, Beilagen- und Obstvariationen dennoch umfangreich und köstlich ausfiel. Anschließend bezogen wir unsere luxuriösen Zelte und ich konnte mich noch im Pool erfrischen, ehe es auf zur ersten geführten Pirschfahrt ging.

Peter und Edward

Was in den nächsten drei Tagen folgte, entzieht sich jeder Beschreibung. Fand ich die ersten Eindrücke im Reservat noch überwältigend, wurden diese bereits bei diesem ersten Ausflug unter der fachkundigen Leitung unserer Masai-Führer Peter und Edward weit in den Schatten gestellt. Wir bekamen bereits an diesem ersten Tag alle drei hier vorkommenden Großkatzen (Gepard, Leopard, Löwe) sowie den äußerst schwer zu beobachtenden Großohrenfuchs zu sehen. Die meiste Zeit verbrachten wir, wie zahlreiche andere Safarigäste auch, damit, eine Gepardenmutter mit ihren drei halbwüchsigen Jungen auf der Suche nach Nahrung zu beobachten. Die Tiere ließen sich von den Autos in keinster Weise stören, inspizierten sie teilweise sogar interessiert, wobei sie sich bis auf Griffweite an sie annäherten. Peter und Edward erzählten uns, dass es bis vor einigen Jahren eine Gepardendame namens Malaika im Reservat gegeben habe, welche immer wieder auf Safarijeeps gesprungen war und durch deren offene Dächer die Touristen neugierig beäugt hatte. Außerdem hätten die Tiere gelernt, die Fahrzeuge bei ihren Beutezügen als Deckung zu verwenden. 

Als es dunkel wurde fuhren wir ins Camp zurück, wo wieder ein herrlich umfangreiches Buffet zum Abendessen bereit stand, wobei ich mich nach wie vor zurück hielt und den Tag mit einem Schluck Schnaps beschloss, um meine Verdauung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Danach fiel ich übervoll mit Eindrücken ins moskitonetzbehangene und wärmeflaschenvorgewärmte Bett und schlief einen traumlosen, tiefen Schlaf.

Am nächsten Tag ging es in gleicher Weise weiter. Bereits um sechs Uhr morgens starteten wir zur ersten Pirschfahrt, im Laufe derer wir unter einem Akazienbaum das von der Lodge eingepackte Frühstück verzehrten. Der frühmorgendliche Himmel war voll von Heißluftballons, da diese ein beliebtes Mittel sind, um die Mara aus der Luft zu bestaunen. Die erste Ausfahrt dauert jeweils bis etwa Mittag. Anschließend fährt man ins Camp um sich am großartigen Buffet zu laben, auf der Terrasse bei einem Drink zu entspannen und dabei den Flusspferden im Mara-Fluss zuzusehen, in der Hängematte zu rasten oder im Pool zu planschen. Gegen 16 Uhr startet man noch einmal bis zum Einbruch der Dunkelheit um etwa 18:30 Uhr zu einer zweiten Pirschfahrt. Im Laufe des Tages bekamen wir diesmal Paviane, eine riesige Büffelherde, Zebramangusten, Hyänen und gut in den Büschen versteckt spielende Löwenbabys zu Gesicht. Das Highlight war jedoch, als zwei Löwen ein Gnu erlegten, als dieses gerade mit einer Menge Artgenossen den Mara-Fluss überqueren wollte, was wir vom gegenüberliegenden Ufer aus beobachten konnten. Der Versuch der Flussquerung wurde, als die Löwen, welche Augenblicke davor noch faul zwischen den Büschen am Flussufer geruht hatten, das Gnu rissen, von dessen Artgenossen fluchtartig abgebrochen und sie zerstreuten sich panisch in alle Richtungen. Es war ein halbwüchsiger Löwe, der, von seiner Mutter aufmerksam beobachtet und ein wenig unterstützt, zeigte, wie er zu jagen gelernt hatte, der das Gnu erlegte.

Als ob das nicht genug gewesen wäre sahen wir danach noch einen Leoparden am Flussufer sitzen. Im Fluss schwamm der Kadaver eines Streifengnus, das offensichtlich die gefährliche Querung nicht überlebt hatte. Plötzlich begann das Wasser zu brodeln und ein mächtiges Nilkrokodil begann den Kadaver in Stücke zu reißen. Der Leopard saß ungerührt wenige Meter daneben und beobachtete die Szene.

Tags darauf besuchten wir noch einmal die Löwenbabys. Außerdem sahen wir eine Leopardin versteckt im Gebüsch ihr gut drei Monate altes Junges füttern und endlich wurde stundenlanges warten am Flussufer belohnt und wir wurden Zeugen der Wildtiermigration in die Masai Mara. Jedes Jahr folgen Millionen von vor allem Streifengnus aber auch anderen Antilopen und Zebras dem Geruch des Regens und damit frischen, grünen Grases und durchschwimmen in einer für sie lebensgefährlichen Aktion den Mara-Fluss. Bereits am Vormittag sahen wir eine überschaubare Gnuherde, wie oftmals motiviert von ein paar voran gehenden Zebras, diesmal ohne Störung durch hungrige Räuber, den Fluss überqueren. Nachdem wir von Parkwächtern ermahnt worden waren, weil wir – wie alle Safarifahrzeuge immer wieder – die offiziellen „Straßen“ verlassen hatten, stieß plötzlich eine riesige Herde von Gnus, die wir bereits seit Stunden dabei beobachtet hatten, wie sie sich am anderen Flussufer zu immer wieder neuen Gruppenverbänden zusammengeschlossen hatten, zum Fluss hinab durch, und die Tiere begannen, sich wie Lemminge halsbrecherisch ins Wasser zu werfen und um ihr Leben zu schwimmen. Diesmal waren es wohl tausende von Tieren und das unvergleichliche Spektakel dauerte scheinbar ewig lange an. Das Wasser tost, die Tiere blöken, springen ins Wasser, driften ab, drehen um, probieren es erneut, während die Böschung herab unaufhörlich weitere Artgenossen nachströmen, welche ihr Instinkt dazu bringt, sich in die schlammigen Fluten zu werfen. Wer glücklich ist und es geschafft hat, nicht nur den Fluss zu überqueren, sondern auch am anderen Ufer die steile Böschung heil hinauf zu kommen, trottet friedlich weiter, zumeist ohne sich auch nur abzubeuteln, als wäre nie etwas Besonderes passiert. Als die gesamte Herde diesmal ohne Verluste den Fluss überquert hatte, hörte das Schauspiel so plötzlich auf, wie es begonnen hatte und es senkte sich wieder die typische Ruhe über die endlosen Weiten der Savanne.

Am nächsten Tag fuhren wir auf anraten unserer Führer bereits vor sechs Uhr hinaus, um die Leopardin und ihr Junges zu suchen. Dies war genau die richtige Entscheidung, denn wir fanden das Junge aus der Deckung der Büsche heraußen ausgelassen im offenen Grasland spielen, wobei es auch interessiert aus nächster Nähe unseren Jeep beäugte. Die Mutter lag einige Meter daneben entspannt auf einer kleinen Anhöhe und döste vor sich hin. Als andere Geländewägen ankamen, verkroch sich das Junge bereits wieder im Gebüsch und seine Mutter machte sich davon auf die Jagd.

Die letzten zwei Tage hatte es abends oder nachts immer wieder geregnet, doch heute schien es aufzuklaren und wir wurden obendrein noch mit einem gewaltigen Sonnenaufgang über der Steppe beschenkt. Am Weg zurück zum Camp kamen wir noch an Horden von Geiern vorbei, welche sich um die Überreste von Tieren stritten, die Raubkatzen offensichtlich in der vorhergehenden Nacht gerissen hatten. Zurück im Camp nahmen wir noch ein letztes ausgiebiges Frühstück vom Buffet zu uns, ehe wir uns auf den Heimweg machten und dabei die Ausfahrt aus dem Reservat genossen, bei der wir noch einmal den Großteil der Tiere in ihrer natürlichen Umgebung bewundern konnten.

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