Alpinistisches Risiko
Im zweiten Teil der Serie über Alpinismus geht es um einen potentiellen „Auftriebsfaktor“. Um einen der Gründe, warum Menschen Berge besteigen: das Risiko.
Womit lässt es sich begründen, dass sich Menschen absichtlich in Gefahr begeben und dabei sogar Genuss empfinden? Erklärungsansätze dafür gäbe es viele. Einer davon ist die Suche nach dem außeralltäglichen Erlebnis. Riskante Situationen am Berg stellen eine brachiale und reale Gefahr dar – als Alpinist ist man gefordert, die Situation aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu bewältigen. Hinzu kommt, dass die Aufgabe bzw. die Mission selbst gewählt ist und der Erfolg mit dem Leben und einer beeindruckenden Erfahrung belohnt wird.
Dieses Szenario steht streng im Gegensatz zur Alltagswelt, in die wir westlichen Menschen eingebunden sind. Wir wissen nicht, warum wir arbeiten gehen, werden mit einem abstraktem Tauschmittel (Geld) entlohnt, verbringen unsere Zeit oft sitzend, während unser Körper Bewegungsdrang signalisiert, erledigen Pflichtwege und –aufgaben für kalte, graue Behörden, wie „die Firma“, das Finanzamt, das Arbeitsmarktservice, Versicherungen, Banken, und/oder Großunternehmen. Kurzum: Wir verbringen den Großteil unserer Zeit mit der Bewältigung von Aufgaben, die nur ein kleiner Teil einer großen Sache sind, die viel zu komplex sind, um sich mit ihnen beschäftigen zu können, und bewegen uns oft dabei kaum – wir sind unseres eigenen Lebens nicht Herr, und das spüren wir!
Natürlich kompensiert und nutzt das die Unterhaltungsindustrie und bietet die geistige Flucht in Film, Fernsehen, Computerspiel, oder, mit eigenem, körperlichem Einsatz, Raftingagenturen, Bungee-Jumping, Tamden-Fallschirmspringen, Surfkurse, etc. Auf diese Weise wird durch den Markt kompensiert, was wir im Alltag vermissen.
Oder man nimmt in feinster Alpinistenmanier sein Leben selbst in die Hand, bringt es in Gefahr und rettet es selbst. So gesehen wirkt das alpinistische Risiko, so verrückt es auch sein mag, sehr verständlich. Anstatt sein Leben nur unsichtbaren und ominösen Aufgabe zu widmen, gibt es hier etwas wirkliches zu tun: Echte und fühlbare Situationen zu meistern.
Weitere Beiträge der Serie
- Teil 1: Wahrer Alpinismus – Wahre Alpinisten Teil 1: Einführung
- Teil 3: Wahrer Alpinismus – Wahre Alpinisten Teil 3: Alpinisten?
- Teil 4: Wahrer Alpinismus – Wahre Alpinisten Teil 4: Pioniere der Industriekletterei