Unser Gang durch das Jaffagate und das Gewusel beginnt. Zwischen dem lauten, verwischten Geräuschwirrwarr in engen Gassen ertönt das Hallen klackender Schuhe, der laute Atem auf- und abwärtsgehender Menschen, raschelnder Schmuck, dazwischen ein „Lady, Lady! Just 200 Shekl – It’s a good price“. Etwas enfernter nehme ich einen Muezzin wahr, der „Allah Akbar“ verkündet, doch die nahen, vorbeihuschenden Männer sprechen Hebräisch. Nach zehn Minuten machen wir halt – eine Sicherheitskontrolle. Zügig wird der Rucksack kontrolliert und wir passieren eine Metalldetektorschleuse. Gut, es piepst nicht.
Auf einmal packt sie mich, zieht meinen Klebestreifen ab und pickt mich auf eine Mauer, an der aus jeder Ritze und Spalte Zettel hervorragen. „So, du bist angekommen!“. Heimlich zückt sie eine Kamera, bittet ihre Reisepartnerin ihr Schutz zu geben, um mich, ohne dass sie von den Sicherheitswärtern entdeckt wird, schnell ein letztes Mal zu fotografieren.
Nun sind viele Tage vergangen und nach mehreren Gesprächen mit meinen Zettelkollegen wurde mir klar, wo ich hingebracht wurde. Ich klebe nun an der berühmten Klagemauer, der heiligsten Stelle des Judentums. Diese religiöse Stätte stellt die frühere Westmauer des zweimal zerstörten, großen jerusalemischen Tempels dar, der sich an dieser Stelle befand. Täglich besuchen mich viele Menschen um zu beten. Viele stecken aufgeschriebene Wünsche, Bitten und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer. In ein paar Wochen werde ich, wie auch alle anderen Wunschzettel, entfernt und am Ölberg begraben. Dort treffe ich vielleicht Gott und erzähle ihm meine Geschichten über „Alf, Alpinismus, Deutsch, Drogen, Erde, Eskapismus, Essen, Fehler, Fernsehen, Fußball, Gott, Graz, Kunst, Politik, Religion, Sex, Tod, Überwachung, USA, Vorhaut, Wale, Wissenschaft… Zensur“.
Quellen / Weiterführende Links
- Klagemauer bei de.wikipedia
Wau! Ziemlich irre!