Mittwoch, November 13, 2024
Diary

Von lügenden Karten und deren Ende

Es treibt schon wieder mal ein Karten-Thema die Trift hinab, und während die einen, gelangweilt von den ewigen Beiträgen rund um die Abbildung unserer Welt, schnell das Weite suchen (unser „zufälliger Beitrag“-Knopf bietet sich hier an) möchte ich die verwegenen Verbliebenen mit auf eine kurze Reise nehmen – auf eine Reise in die Klassenzimmer unserer aller Jugend. Genauer noch auf eine Reise vor die schmucke Weltkarte, die ab und an in den Geographiestunden aufgehängt wurde und die seither unsere Vorstellung von der Verteilung des Landes und des Wassers auf unserem Planeten prägt.

Schulkarte in Robinson Projektion (via wikipedia.org)
Schulkarte in Robinson Projektion (via wikipedia.org)

Auf ihr haben wir die Länder und ihre Hauptstädte gelernt, gezeigt bekommen wo der Atlantische Rücken und wo der Mariannengraben liegen und mit etwas (Lehrer-)Glück sogar die verschiedensten Vegetationszonen dieses Planeten kennengelernt.

Was aber wenn ich jetzt behaupte, dass diese Karte in Ihrem Kopf Sie von vorne bis hinten belogen hat? Was wenn ich sage, dass sie für Sie überhaupt keine Relevanz hat, solange Sie nicht mit einem Kompass zwischen den Kontinenten navigieren müssen?  — Ah, Sie sind bis jetzt auch so ganz gut zurechtgekommen. — Aber sagt das nicht eher etwas darüber aus, dass Sie nicht besonders oft Fragen zu dieser Welt gestellt bekommen?

Versuchen wir es:
Nennen Sie einen Kontinent, der in etwa den Dimensionen des antarktischen Festlandes entspricht?
Oder etwas einfacheres, wie oft passt Grönland in Afrika?

Also die Antwort auf die erste Frage wäre: Australien und die auf die Zweite: 14 Mal. Grämen Sie sich nicht wenn sie bei beiden falsch geraten haben, es liegt an dem Bild das unsere Standartkarten uns von unserem Planeten vorgaukeln.

Das Problem ist, das die gängigen Projektionen nach Mercator oder Robinson die Bereiche die weiter vom Äquator entfernt sind überproportional Groß darstellen und so zum Beispiel Kanada, Grönland und die Antarktis riesig zu ihrer tatsächlichen Größe erscheinen.

Viele Kartographen haben sich schon dem Problem angenommen, mit unterschiedlichsten Resultaten. Ein aus Tokyo stammender Architekt hat im Zuge des japanischen Good Design Award eventuell eine Lösung vorgestellt und den Wettbewerb damit auch gleich gewonnen.
Das von Hajime Narukawa und seiner Firma präsentierte Projekt bildet nämlich alle Land- und Wasserflächen lage- und größengetreu auf 2D ab. Als einziges Zugeständnis wird das Längen- und Breitensystem, und alle damit zusammenhängenden Aspekte wie zum Beispiel Himmelsrichtungen, zerfetzt und wild durcheinander gewürfelt.

AuthaGraph Weltkarte (via autthagraph.com)
AuthaGraph Weltkarte (via autthagraph.com)

Das entwickelte Projektionsverfahren heißt AuthaGraph Projektion und ist nicht ganz trivial. Die Weltkugel wird in 92 Regionen geteilt, aus denen dann ein Tetraeder gefaltet wird. Dieses wird dann zur Pyramide vereinfacht und abschließend in die 2D-Ebene geklappt. Für alle mit ähnlicher Vorstellungsgabe wie der meinigen, hier ein kurzes Video, das den Prozess zeigt.

AuthaGraph from AuthaGraph on Vimeo.

In der zweiten Hälfte des Videos wird ein weiterer Vorteil der AuthaGraph Projektion gezeigt. Sie lässt sich nämlich nahtlos aneinanderfügen und kann so einerseits in beliebigen Formen verwendet werden, andererseits eignet sie sich aufgrund dieser Eigenschaft auch vorzüglich, um zyklische Abläufe, wie zum Beispiel das Vorbeiziehen der internationalen Raumstation ISS, zu visualisieren.

ISS longterm tracking (via autthagraph.com)
ISS longterm tracking (via autthagraph.com)

 

Laut seiner Homepage möchte Hajime Narukawa mit seiner Projektion dazu beitragen, Karten besser an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen und meint damit Themen, wie zum Beispiel das Schmelzen der Polkappen oder territoriale Streitfragen in der Antarktis. Wünschen wir diesen Herausforderungen, dass eine bessere Darstellung auch zu einer besseren Lösung führt.

Für mich bleibt auf jeden Fall die Faszination, die Erde vor mir ausgebreitet zu sehen, ohne das flaue Gefühl im Bauch, dass mich diese Karte irgendwie belügt.

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