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Der Sinn des Lebens

Ein überzogen-theoretischer Aufriss

20140818_feature008_fragezeichenSich über den Sinn des Lebens Gedanken zu machen ist eine zutiefst menschliche Sache. Man könnte sogar behaupten, dass, sobald die Notwendigkeiten des Überlebens gesichert sind (Essen, Schlafen, etc.), sehr viele Menschen einen instinktiven Drang verspüren, sich mit ihrem Dasein auseinanderzusetzen. Dieser Drang, der vermutlich in engem Zusammenhang mit dem Gefühl von „etwas fehlt in meinem Leben“ steht, verlangt üblicherweise nach einer Antwort in Form des „richtigen“ Gedankens oder der „richtigen“ Handlung.

Es finden sich nur wenige Einzelkämpfer, die es sich aktiv und bewusst zur Aufgabe machen, eine individuelle Antwort auf ihr individuelles Sein zu finden. Schon mehrere greifen auf philosophische Vordenker zurück und finden darin ausreichend Befriedigung. Ansonsten bietet das kulturelle Angebot unserer Gesellschaft viele Möglichkeiten dem Drang ein Ventil zu sein.

Hier der Versuch einer Systematisierung beobachtbarer Ventile:

  • Das Vertrauen in „Glaubensmodelle“ legen, wie beispielsweise die Obhut Gottes, die heile Partnerschaft bzw. Familie, oder in als Autoritäten anerkannte Menschen. Auf das „Fehlende“ wird dabei meist durch die Befolgung von Regeln reagiert und kann persönlich als gewöhnlicher Alltagsbestandteil akzeptiert werden. Um der existenziellen Not zu entkommen bzw. gar nicht zu begegnen bieten sich zahlreiche Denkkategorien an, die eine gegenwärtige Gefühlslage erklären und auch lösen können. Der Buddhist akzeptiert, dass Leben das Leiden an der Existenz impliziert, der Christ glaubt sich von Gott behütet und hofft, der häusliche Typ lässt sich in die Vorstellung der immerwährenden Liebe fallen, der idolisierende Mensch richtet sich nach dem Vorbild. Da gläubigen Menschen immer wieder der Unterschied von Ideal und Realität vor Augen liegt, existieren je nach „Glaubensrichtung“ genügend Rituale und Praktiken, die zum Abgleich dieser zwei Rivalen dienen. Dazu zählen neben Beten und Meditieren religiöse Feiertage, die im Falle des „Glaubens der Partnerschaft“ auch „Tag des Kennenlernens“, „Hochzeitstag“ oder „gemeinsames Wochenende“ heißen können.
  • Das „Fehlende“ durch Schaffen kompensieren (wie dies beispielsweise schon Nietzsche empfiehlt). Dabei scheint es sich um den Versuch zu handeln, als individuelles Wesen seinen individuellen und vor allem greifbaren Teil zur Welt beizutragen. Die fertigen Artefakte des Schaffens bieten im weiteren Verlauf des Lebens „objektive“ Beweise für den eigenen, „sinnvollen“ Beitrag zur Welt. Auch die Hingabe zum Schaffen selbst kann quasi als Beschäftigungstherapie gesehen werden. Diese dann oft als „Künstler“ bezeichnete Gattung, malt, schreibt, fotografiert, formt oder zimmert aus eigenem Antrieb, bedient sich jedoch zumeist gesellschaftlich etablierter Symbole und Werkzeuge. Das Streben nach Anerkennung steht bei den Schaffenden nicht unbedingt im Vordergrund, bietet für einige aber ein Motiv. So oder so existiert eine hohe Toleranz gegenüber den „Künstlernaturen“ (, die ihrem Geltungsdrang auch auf trift genüge tun können).
  • Das „Fehlende“ durch gesteigertes Körperfeedback ausblenden. Hierzu können neben ausufernd sportlicher Tätigkeit auch der Missbrauch von Alkohol und Drogen gezählt werden. Das Gefühl existentieller Leere wird zuerst durch Tätigkeit und veränderten Bewusstseinszustand verdrängt und mündet in weiterer Folge in einem Körperzustand der Notwendigkeit, wie Müdigkeit, Hunger oder Durst, in welchem sich die Sinnfrage nicht mehr stellt. Das Bedürfnis nach Entspannung, Nahrung oder Flüssigkeitsaufnahme dominiert und bietet Orientierung. Es scheint naheliegend, dass in diese Kategorie auch Sexualität zur Kompensation der Existenzleere fällt. In diesem Kontext wird der wahrgenommene Sexualtrieb als natürlich wahrgenommen und führt zu gesteigerter sexueller Aktivität, promiskem Verhalten, häufiger Masturbation oder zumindest zu regelmäßigen Versuchen sexuelle Befriedigung zu erlangen. Gemischt mit dem entsprechenden „Glaubensmodell“ erklären sich so die nächtlichen Aktivitäten vieler Männern und Frauen in den vielen Bars und Nachtlokalen, die als informeller „Heiratsmarkt“ dienen. Doch gerade bei dieser Variante kann der Sturz zurück ins Gefühl der sinnlosen Existenz härter ausfallen als bei anderen Tätigkeiten. Wem da „die Zigarette danach“ nicht reicht, der ist mit Radfahren oder Joggen besser beraten.
  • Sich gesellschaftlich anerkannten „Spielen“ widmen kann neben den „Glaubensmodellen“ als dominantestes Muster wider die Existenzfrage verortet werden. Noch bevor ein Gefühl von Ratlosigkeit aufkommt, wird auf Tätigkeiten zurückgegriffen, die gesellschaftliche Anerkennung versprechen. So widmet sich manche Person in übertriebenem Maße der Erwerbsarbeit, während andere ihre Freizeit mit dem Besuch „hipper“ Restaurants und Lokale, oder der Ausübung trendiger Tätigkeiten bzw. Reisen an prestigeträchtige Orte verbringen. Soziologisch gedacht ist es eine Frage der Milieus, wie die jeweiligen Spiele ausfallen. Stimmige Kombinationen könnten hierbei sein:
    • Die IT-Fachkraft, die nach 11 Stunden täglicher Arbeit abends ins Fitnessstudio geht, gelegentlich einen Bungee-Jump macht, und sich wochenends mit Freunden ein Essen in einem teuren En-vogue-Etablissement gönnt, und zum Urlaub in die USA fliegt.
    • Die Alternative, die neben ihre 30-Stunden-Erwerbstätigkeit als Kellnerin Yoga-Stunden besucht, gerne „in der Natur“ wandert, und regelmäßig einige Wochen nach Indien, Thailand oder Südamerika aussteigt.
    • Der Sachbearbeiter, der neben der Arbeit zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen besucht, um seinen Etat an Soft-Skills aufzubessern, sich selbst optimiert, gerne neue Kleidung besorgt, und sich trotzdem viel Zeit für das Bestreiten von Mountain-Bike-Rennen und die Pflege seines Fahrrads nimmt.
  • Selbstverständlich verbleibt da noch das vielfältige Kulturangebot, das dabei hilft, den Verstand beschäftigt halten. Hierunter fallen all die „geistigen“ Tätigkeiten wie Lesen, Fernsehen, Computerspielen, Internet-Surfen, etc. Diese von anderen geschaffenen Lebensinhalte sind meist ohne großen Aufwand verfügbar und können das Gefühl vom eigenem Erleben ansatzweise vermitteln. Dass man dabei meist nur herumsitzt, während alles Leben und Sein nur vorgespielt wird, sollte man mit Würde tragen können, da der Frust ansonsten nur aufgeschoben wird. Streng verdeutlichte diesen Aspekt zum Beispiel Arthur Schopenhauer mit seinem Seitenhieb aufs Lesen:
    • Wann wir lesen, denkt ein Anderer für uns: wir wiederholen bloß seinen mentalen Proceß. Es ist damit, wie wenn beim Schreibenlernen der Schüler die vom Lehrer mit Bleistift geschriebenen Züge mit der Feder nachzieht. Demnach ist beim Lesen die Arbeit des Denkens uns zum größten Theile abgenommen. Daher die fühlbare Erleichterung, wenn wir von der Beschäftigung mit unsren eigenen Gedanken zum Lesen übergehn. Eben daher kommt es auch, daß wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, dazwischen aber sich in gedankenlosem Zeitvertreibe erholt, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert, – wie Einer, der immer reitet, zuletzt das Gehn verlernt. Solches aber ist der Fall sehr vieler Gelehrten: sie haben sich dumm gelesen. (Schopenhauer 1851).

Unbearbeitet und negiert verwandelt sich die Differenz von Existenz und Essenz (des Lebens) früher oder später in Depression, Rat- und Rastlosigkeit, oder ins Problematisieren der eigenen oder anderer Personen – in einen Lebensfrust. Da empfiehlt es sich, sich entweder mit sich selbst auseinanderzusetzen, und sich aus der Fülle der Möglichkeiten zur Beschäftigung einige auszusuchen, die dann das Ich und Sein definieren, oder zu lernen, mit dem, wer und was man ist, einfach zufrieden zu sein.

Dass die ganze Sinnsuche, egal womit sie bedient wird, ein tendenzieller Wahnsinn ist, zeigen uns manche, die sich dem „Schaffen“ verschrieben haben. Die Truppe Monty Python veröffentlichte 1983 einen passenden Streifen namens The meaning of life, in dem sie vom „Wunder der Geburt“ bis hin zum Tod viele der Varianten beleuchten, mit denen man sein Leben verleben kann und muss.

Hier eine Szene ihres skurrilen Werks, in der einem militärischen Ausbildner mildes Verständnis für die Thematik angeheftet wird:

1979 schafft es Douglas Adams in seinem Hitchhiker’s Guide to the Galaxy eine plausible Erklärung dafür zu finden, warum sich die Frage nach dem Sinn, dem Universum und allem Anderen nicht gänzlich beantworten lässt. Wir wissen nun zwar, dass 42 die korrekte Antwort ist – der Supercomputer Deep Thought war nach siebeneinhalb Millionen Jahren Rechenzeit auf diese Lösung gekommen – wenn wir jedoch mit dieser Antwort nichts anzufangen wüssten, so liegt das höchstens daran, dass die Frage nicht hinreichend formuliert wurde:

Für die Leser, die bis hierhin noch keine Befriedigung gefunden haben, findet sich vielleicht in „DERSINNDESLEBENS” selbst eine passende Antwort. Hier die entsprechenden Anagramme: Der Sinn des Lebens (4-13 Buchstaben)

 

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