Als Robert Emmet Odlum am 19. Mai 1885 von der gerade erst fertig gestellten Brooklyn Bridge sprang, war er wohl nicht nur der erste Mensch, der sich von dieser Brücke warf, er ist auch bis heute einer der wenigen, die vor hatten den Sprung zu überleben.
Todesursache: Fallen durch Luft
Odlums Motivation war zu demonstrieren, dass Menschen nicht durch das Fallen durch Luft sterben können und – quasi als Nebeneffekt – reich und berühmt zu werden, um sich und seine Mutter finanziell zu unterstützen. Der Fehlglaube, der freie Fall könne einen Menschen ums Leben bringen, war damals weit verbreitet und hinderte immer wieder Leute daran, bei Feuern aus brennenden Gebäuden in Fangnetze zu springen.
Zuvor hatte Odlum alle möglichen Jobs gemacht. Er war Teehändler in Philadalphia, war als Eisenbahnleiter gelistet, arbeitete beim Magazin Inland Monthly in Chicago und gründete schließlich in Washingston, D.C. eine Schwimmschule Namens Natatorium. Mit dieser hatte er guten Erfolg und unterrichtete alle möglichen Berühmtheiten, wie Schauspieler und Präsidentenkinder, im Schwimmen.
Von den Bürgern Washingtons wurde Odlum fortan „Professor“ genannt. Er verfügte über sein eigenes Schwimmbad mit angebauter Turnhalle. Doch Odlum blieb rastlos und forderte ab 1881 „jeden Mann in den Vereinigten Staaten dazu auf gegen ihn zu schwimmen“.
Springen statt Schwimmen
Schließlich wandte sich Odlum dem freien Fall zu. Bereits am 4. Juli 1881 sprang er von einer knapp 28 Meter hohen Brücke und blieb unverletzt. Im Juni 1882 trat Odlum mit weiteren Kunststücken auf und sprang in Marshall Hall von 33,5 Metern Höhe. Erneut blieb er unverletzt und das obwohl er, wie Augenzeugen berichteten, ungünstig auf die Wasseroberfläche auftraf.
Nachdem das Natatorium bankrott ging, wurde Odlum als „Professor für Schwimmen“ sowie als Rettungsschwimmer im Hygeia Hotel in Fort Monroe angestellt und rettete in dieser Zeit drei Menschen das Leben. Daneben wandte er sich dem Langstreckenschwimmen zu. Am 10. August 1882 schwamm Odlum eine Strecke von 29 Kilometern von Old Point Comfort nach Ocean View (Norfolk) und zurück, wobei er die letzte halbe Stunde gegen die Gezeiten schwimmen musste.
Kanalschwimmer
Interessanterweise war Odlum gut mit Matthew Webb befreundet, der im Jahr 1875 als erster Mensch den Ärmelkanal durchschwommen hatte. Die beiden teilten sich also eine Leidenschaft für extremen Wassersport. Inzwischen hat das Kanalschwimmen eine lange Tradition. Aktuell zählt die Channel Swimming Association (CSA) über 2000 erfolgreiche Durchquerungen, wobei die Erfolgsquote aufgrund der besseren Kommunikation und Technik, sowie dem Erfahrungsaustausch unter den Schwimmern, ständig ansteigt.
Üblicherweise wird die Strecke von Dover in England nach Calais in Frankreich durchschwommen, mit 32,31 Kilometern der kürzeste Abstand der beiden Küsten. Der offizielle Rekord liegt derzeit bei 6 Stunden und 58 Minuten und wurde von dem Bulgaren Petar Stojtschew am 24. August 2007 aufgestellt. Webb brauchte für die erste Überquerung 1875 noch über 21 Stunden. Da er Seegang und Strömung falsch berechnet hatte, legte er eine Strecke von weit über 70 Kilometern zurück.
Dem kommt eigentlich nur die Britin Alison Streeter nahe. Diese hat sage und schreibe 43 Mal den Kanal durchquert und hält damit auch den Rekord für die meisten Durchquerungen – inklusive einer Nonstop-Dreifach-Kanaldurchquerung in 34 Stunden und 40 Minuten.
Matthew Webb erlag dann 1883 einem traurigen aber fast absehbaren Schicksal. Er hatte seine Fähigkeiten überschätzt und ertrank bei dem Versuch die Whirlpool Rapids des Niagara River zu durchschwimmen. Das sind extrem starke Stromschnellen und Strudel des Niagara-Flusses und gehören mit der Kategorie 6 zu den wildesten und gefährlichsten Wildwassern der Welt.
Zurück auf die Brooklyn Bridge
Ein Boot mit Zuschauern sowie einem von Odlum engagierten Rettungsschwimmer näherte sich der Brücke bis auf 100 Meter. Odlum hatte erst die Beichte abgelegt und sich dann, um 17:35 Ortszeit, aus knapp 40 Metern in die Tiefe geworfen. Unglücklicherweise wurde er durch den starken Wind etwas gedreht und kam dadurch mit einem Fuß und der rechten Hüfte zuerst auf dem Wasser auf.
Odlum trieb daraufhin leblos im Wasser, wurde in ein Boot gehoben und dort versucht zu reanimieren. Als er kurzzeitig das Bewusstsein erlangte soll er gefragt haben: „Is it all over?…Did I make a good jump?“. Als er begann Blut zu spucken fragte er: „Am I spitting blood?“. Ein Freund versicherte ihm, die Flüssigkeit sei nur Brandy. Doch Odlum erlag internen Blutungen. Ein gerufener Rettungswagen konnte keine Hilfe mehr leisten.
Die Obduktion ergab, dass Milz, Leber und Nieren durch den Aufprall zerrissen waren. Odlums erste, dritte und fünfte Rippe waren gebrochen. Als Todesursache wurde eine Gehirnerschütterung festgestellt.
Immerhin, Robert Emmet Odlum hat „bewiesen“, dass es nicht der Fall durch die Luft ist, der einem zum Verhängnis wird, sondern vielmehr die Landung.