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Diary

29. April 1992

20140507_diary116_beating_rodney_king_screenshot_01Als ich 16 Jahre alt war ließ mich meine Schwester das erste Mal mit ihrem Auto fahren (Opel Rekord). Die Reise ging zum Fortgehen nach Graz, der Tag war sonnig, und vom Kassettendeck tönte der Song „Jailhouse“ der fantastischen Band Sublime. Die Musik brannte sich als Soundtrack dieses Augenblicks in mein Gedächtnis ein. Mit Sublime verbinde ich seitdem das Gefühl neu entdeckter Freiheit. So dauerte es nicht lange bis ich jedes ihrer Lieder auswendig mitträllern konnte. Eines dieser Lieder trägt den Titel „April 29, 1992“ und berichtet von der Teilnahme der Band an den Unruhen in Los Angeles im Jahre 1992.

Als junger Österreicher, der mit der Musik von Sublime den Hauch der Leichtigkeit des Lebens verbindet, ist die Vorstellung von gewaltsamen Ausschreitungen in der eigenen Heimat etwas fern, deswegen brauchte ich vermutlich bis heute mich zu erwärmen, die Hintergründe dieses Vorfalls zu recherchieren:

Burning building in 1992's LA riot
Burning building in 1992’s LA riot

Am 29. April 1992 begannen in Los Angeles blutige Unruhen, die einige Tage anhielten und erst mithilfe eines ausgedehnten Militäreinsatzes beendet werden konnten. Vermeintlicher Auslöser der Unruhen war der Freispruch von vier Polizisten, die zuvor der Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King beschuldigt worden waren. Vor allem die afroamerikanische Bevölkerung reagierte darauf mit Empörung, da zuvor Ausschnitte der Misshandlungen im Fernsehen gezeigt wurden, die unmissverständlich auf übertriebene Gewaltausübung der Polizisten hinwiesen. Auch eine zweite Videoaufnahme, die zu dieser Zeit im Fernsehen kursierte, heizte die Rassenspannungen an. Auf dieser schießt eine koreanische Verkäuferin einer 15-jährigen Afroamerikanerin in den Hinterkopf, nachdem es zuvor eine Rangelei an der Verkaufstheke gegeben hatte.

1992's LA riot
1992’s LA riot

Am Nachmittag des Freispruchs versammelten sich wütende Afroamerikaner und machten ihrem Unmut Luft, indem Steine geworfen wurden und nicht-schwarze Passanten und Autofahrer angegriffen wurden. Die Polizei, die sich mit dieser Situation überfordert sah, zog sich zurück, wodurch die Dynamik ihren Lauf nahm, und sich der Aufstand immer weiter ausbreitete. Die öffentliche Ordnung brach zusammen, und immer mehr Menschen, auch anderer Bevölkerungsgruppen, beteiligten sich an Plünderungen und Brandstifterei. Erst am vierten Tag gelang es der Polizei, unterstützt von US Army, Nationalgarde und US Marines, den wütenden Mob unter Kontrolle zu bringen. Bis dahin kamen 53 Menschen ums Leben, ca. 2.500 wurden verletzt, und zudem entstand ein wirtschaftlicher Schaden von schätzungsweise einer Milliarde US-Dollar.

 

 

Dies ist natürlich ein Stück US-amerikanischer Geschichte. Doch wenn man nach Gründen für solch kriegsähnliche Zustände in einem so „fortgeschrittenen“ Land sucht, so ist eine der plausibelsten Erklärungen eine vorherrschende soziale Ungleichheit, die nicht nur rassisch motiviert ist, sondern mit finanziellen Möglichkeiten einhergeht, die quasi einer Benachteiligung qua Geburt entsprechen.

Als Freund der Idee des Sozialstaats drücke ich also mit dem Finger auf eine Wunde, die auch in Österreich immer tiefer klafft – die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich. Denn die beste Prävention vor unreflektierter Gewaltausübung ist zu verhindern, dass sich jemand benachteiligt fühlt. Und dazu trägt der Staat bei, indem er den neoliberalen Feudalimus bängigt.

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