Samstag, November 23, 2024
Diary

Das Geheimnis der Affeninsel

Monkey Island gehört zu den prägendsten Spielen meiner Zockerkarriere. Wenn ich das Titelthema höre, laufen mir heute noch wohlige Schauer über den Rücken. Dieser Tage wird das vielleicht meistgeliebte Abenteuerspiel aller Zeiten runde 25 Jahre alt.

Als „The Secret of Monkey Island“ 1990 erschien, war es nicht weniger als eine Offenbarung. Ein dermaßen aufwendig inszeniertes, humorvolles, faires und faszinierendes Abenteuerspiel hatte ich bis dahin noch nicht am Schirm gehabt. Die Computerspieleabteilung von Lucasfilm hatte sich bereits mit Spielen wie Maniac Mansion und Indiana Jones einen tollen Ruf erworben, aber mit Monkey Island fanden sie den heiligen Gral – ein Niveau, das sie unter Spielern zur Legende werden ließ.

Monkey Island ist ein Vertreter der Anfang der 90er wahnsinnig populären Point-and-Click-Adventures, d. h. Spieler müssen Objekte kombinieren und mit anderen Figuren sprechen, um Rätsel zu lösen und die Geschichte voranzutreiben. Und diese Geschichte spielt „tief in der Karibik“ und handelt von dem unbedarften Jungen Guybrush Threepwood, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Pirat zu werden. Dazu muss er zunächst drei Prüfungen überstehen. Kaum hat er das geschafft, verschaut er sich in die fesche Gouverneurin der Insel, die aber prompt von einem Geisterpiraten entführt wird. Natürlich muss Guybrush sie dann retten.

Das alles erzählt das Spiel mit schöner Grafik, sonnigem Sound, spritzigen Dialogen, skurrilen Figuren und spitzen Humor. Es ist eine Parodie gängiger Piratenklischees, die sich aber nicht in bloßen parodistischen Zitaten begnügt, sondern eine ganz eigene und trotz aller Absurdität in sich sehr stimmige und charmante Welt erschafft. Der Humor ist vielleicht vergleichbar mit frühen Mel-Brooks-Parodien wie Frankenstein Junior und wurde von Boris Schneider wunderbar ins Deutsche übertragen.

Der größte Geniestreich der Entwickler war wohl die Art, wie die in Piraten-Sagen unvermeidlichen Schwertkämpfe in das Spiel integriert wurden. Über Wohl oder Wehe im Duell entschied nämlich nicht die Geschicklichkeit der Spieler, sondern ihre freche Schnauze. Kämpfende Piraten werfen sich Beleidigungen an den Kopf, die Bud Spencer und Terence Hill nicht besser einfallen hätten können, und nur wer unter den vorgeschlagenen Dialogoptionen die passende schlagfertige Antwort auswählte, konnte sich einen Vorteil im Kampf sichern. Eine geniale Idee, auch heute noch unerreicht.

MI1: Wie alles begann – Tief in der Karibik (Quelle: http://lparchive.org)
Wie alles begann – Tief in der Karibik (Quelle: http://lparchive.org)
MI2: Schöne Frau, sprachloser Freibeuter (Quelle: http://lazyreviewzzz.com)
Schöne Frau, sprachloser Freibeuter (Quelle: http://lazyreviewzzz.com)

Zum Jubiläum plauderte Programmierer Ron Gilbert aus dem Nähkästchen und gab Details zur abenteuerlichen Spieleproduktion Ende der 80er Jahre preis: So wurden damals die Muster für die Beta-Tester noch mühsam auf Disketten kopiert und verteilt, und wenn das Bugfixing zu lange dauerte, sodass die Master-Diskette per Post nicht mehr rechtzeitig im Presswerk in Europa ankommen würden, fuhren kurzerhand Mitarbeiter von Lucasfilm zum Flughafen und lauerten am Terminal ahnungslosen Passagieren nach Europa auf, denen sie die Disketten in die Hand drückten. In Heathrow wartete dann ein weiterer Mitarbeiter und nahm die Disks wieder entgegen.

Das erinnert ein wenig an den Schmuggel von Geheimdokumenten in Mission:Impossible und ist aus heutiger Sicht auf so vielen Ebenen schlicht unvorstellbar, dass dagegen selbst die Abenteuer von Guybrush Threepwood wie aus dem wahren Leben gegriffen wirken.

MI3: Scharfzüngige Schwertduelle MI3 (Quelle: http://pushingsomerocks.blogspot.co.at)
Scharfzüngige Schwertduelle (Quelle: http://pushingsomerocks.blogspot.co.at)

The Secret Monkey Island brachte es bis dato auf 4 Fortsetzungen. Es ist im Guinness Buch der Rekorde vertreten als das erste Grafik-Adventure, das als Theaterstück aufgeführt wurde. 2005 brachte eine amerikanische High School das Spiel auf die Bühne und im Herbst dieses Jahres wird in Deutschland ein mittels Crowdfunding finanziertes professionelles Theaterstück aufgeführt. 2003 kam sogar eine Verfilmung unter dem Titel „Fluch der Karibik“ heraus. Okay, letzteres ist nicht ganz richtig, aber tatsächlich basieren beide Werke auf derselben Inspiration, nämlich Disneys Achterbahn „Pirates of the Caribbean“. Insofern hat sich für Monkey Island ein Kreis geschlossen, als Lucasfilm 2012 mit Mann und Maus von Disney gekauft wurde.

Dank einer 2009 erschienenen, mit HD-Grafik und Sprachausgabe aufgemotzten Neuauflage kann man The Secret of Monkey Island (und den Nachfolger) auch heute noch wunderbar auf PC, Konsole, Tablet oder Smartphone spielen. Und es ist tatsächlich noch genauso unterhaltsam und stilvoll wie vor 25 Jahren. Diese Langlebigkeit und ungebrochene Popularität ist wohl das wahre Geheimnis der Affeninsel.

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