Sonntag, Dezember 22, 2024
Diary

The Bridge

Das Indie-Denkspiel The Bridge beginnt mit einem Mann, der unter einem Baum büselt und dem ein Apfel auf den Kopf fällt. Aber danach formuliert er nicht die Gesetze der klassischen Mechanik, sondern erlebt ein Abenteuer, dass einen rationalen Zeitgenossen wie Isaac Newton vermutlich in den Wahnsinn getrieben hätte.Und was machen die Spielenden dabei? Wir steuern einerseits das Männchen und können andererseits aber auch durch Tastendruck oder Herumfuchteln mit dem Motion Controller seine ganze Welt kippen, neigen oder auf den Kopf stellen und sich im Kreis drehen lassen. So ist unsere erste Tat im Spiel, ihm durch Rütteln besagten Apfel auf die Birne plumpsen zu lassen.

MC Escher würde The Bridge spielen (via thebridgeisblackandwhite.com)

Ab dem Moment hat mich das Spiel schon gehabt. Die stimmungsvoll gezeichnete Schwarzweißgrafik und die Musik verbreiten eine wohlig surreale Stimmung und das von zwei Leuten gemachte Indie-Spiel blutet Stil aus jeder Pore.

Wir steuern das Männchen dann in das Haus seiner Familie, in dem irgendjemand (Sein Vorfahre? Oder er selbst?) kryptische Botschaften und vor allem Räume hinterlassen hat, in denen die Geometrie einen über den Durst getrunken hat. Und in denen müssen wir das Männchen von seinem Ausgangspunkt durch eine Tür bugsieren. Dabei ist seine Bewegung einigermaßen eingeschränkt: Wir können ihn zwar direkt steuern, aber wie ein träger Couchpotato gibt er bereits beim leichtesten Anstieg w.o. und rutscht hilflos jeden kleinen Abhang hinab. Das heißt, wir müssen die Levels so kippen und drehen, dass das Männchen von der Schwerkraft in Richtung Tür geleitet wird, ohne dabei ins Bodenlose zu fallen – denn die einzelnen Räume schweben quasi im All. Ein spannendes Haus hat der!

Dazu kommen noch weitere Hindernisse, wie Kugeln, die einen verschlingen (der „Feind“), Strudel, die einen einfangen, Türen, die erst mit Schlüsseln geöffnet werden müssen, oder Winde, die die Schwerkraft auf den Kopf stellen. Anfangs ist es noch recht einfach, zum Ziel zu gelangen, später wird es teilweise wirklich vertrackt. Allerdings sind alle 48 Level tatsächlich durch Nachdenken zu lösen, die Anforderungen in Sachen Gamepad-Akrobatik sind sehr moderat.

Die Feinde grinsen schon mal fies (via thebridgeisblackandwhite.com)

Ich habe das Spiel mehrere Wochen lang zur Entspannung vor dem Schlafengehen gespielt und dafür ist es perfekt. Man sitzt selten länger als eine viertel bis halbe Stunde an einem Level, und wenn’s doch mal komplizierter ist, kommt nach einmal drüber schlafen oft die entscheidende Idee. Und wenn ein schwieriger Level dann geschafft ist, kennt die Befriedigung keine euklidischen Grenzen.

Und die Motivation war hoch bei mir, denn ich habe die geometrisch unmöglichen Bilder von Maurits Cornelis Escher schon immer geliebt und bereits in der Schule fleißig nachgezeichnet – allerdings nicht in Bildnerischer Erziehung, sondern in Darstellender Geometrie, und in der Regel unfreiwillig. Mein alter DG-Lehrer rauft sich wahrscheinlich heute noch das schüttere Haar, wenn er an meine Machwerke denkt.

Mit seiner stimmungsvollen Grafik und Musik und seinem auf den Punkt gebrachten Spielprinzip (Knobeln ohne große Ablenkung) ist The Bridge jedenfalls eine ungewöhnliche, entspannende und beinahe meditative Erfahrung, die ich allen ans Herz legen kann, die gerne spielerisch Probleme lösen – oder die schon immer mal wissen wollten, wie es ist, durch Escher-Bilder zu spazieren.

Das Spiel ist für fast alles erhältlich, worauf man spielen kann: Windows, Mac, Linux, Playstation, Xbox, Switch und Android.

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