Angesichts der großen Affinität von Fußball und Religion verwundert es eigentlich gar nicht so sehr, dass einem der allergrößten Vertreter des Sports in einer eigenen Kirche gehuldigt wird – sondern eher, dass es so lange gedauert hat. Am 30. Oktober 1998 wurde die Kirche gegründet, als einige Fans in Rosario begannen, aus Jux an Maradonas Geburtstag Weihnachten zu feiern. Als heilige Stätte wurde das Lokal „Pizzaria Banana“ in Buenos Aires auserkoren. Was als Spaß im Freundeskreis begann, entwickelte sich schnell zur organisierten Anbetung von „D10S“ (die 10 war Maradonas Rückennummer) und gewann tausende Anhänger in aller Welt, die auch feierliche Zeremonien durchführen. So kann man sich in der Iglesia Maradoniana etwa mit der Hand auf dem Ball in Diegos Namen und Angesicht trauen lassen.
Dass ihr Heiland wie die meisten Propheten ein wenig exzentrisch sein kann, und schon mal mit dem Luftgewehr auf Journalisten schießt, Drogen nicht völlig abgeneigt ist oder vergisst, knapp 40 Millionen an Steuern zu bezahlen – geschenkt. Dafür berührt er andere Male wieder mit spontaner Liebenswürdigkeit und Großzügigkeit, wenn er etwa in einer engen Seitengasse in einem armen Viertel in Neapel mit seinem Ferrari steckenbleibt, über sich ein altes Mutterl auf einem baufälligen Balkon erblickt und ihr am nächsten Tag ohne großes Aufhebens einen Maurertrupp zur Gebäudesanierung vorbeischickt – so will es zumindest die Legende.
Doch im Gegensatz zu den Wundern der meisten anderen religiösen Gestalten sind jene Diegos gut dokumentiert und filmisch festgehalten. Wie etwa sein berühmtes Tor mit der „Hand Gottes“ im WM-Viertelfinale 1986 gegen England. Für die Anhänger der Kirche Maradonas war diese grobe Unsportlichkeit der Tod des Fußballs. Weil Diego aber weiß, dass eine Welt ohne das schöne Spiel die Hölle ist, ließ er seine Fans nicht lange im fußballlosen Fegefeuer zappeln, sondern erlöste sie und uns alle nur 4 Minuten später mit dem offiziell zum solchen gewählten Tor des Jahrhunderts, wo er von der Mittellinie losstartete und gefühlt die gesamte englische Mannschaft samt Tormann im Alleingang überdribbelte – die Wiederauferstehung des Fußballs. Dementsprechend wird am 22. Juni, dem Jahrestag jener denkwürdigen Partie, in der Iglesia Maradoniana das Osterfest begangen. Weitere wichtige Eckpfeiler der todernsten Juxreligion:
Weihnachten und höchster Feiertag: 20. Oktober – Maradonas Geburtstag.
Heilige Schrift: „El Diego. Mein Leben“ – Maradonas Autobiographie
Zeitrechnung: Beginnend mit Maradonas Geburtsjahr 1960. Aktuell sind wir also im Jahr 56 DD (Después de Diego, nach Diego).
Maradonianisches Gebet: Diego unser. Es gibt mehrere Versionen, hier eine davon:
„Diego unser, der Du bist auf dem Fußballplatz, geheiligt sei deine linke Hand, die uns deinen Zauber bringt. An deine Tore sollen im Himmel erinnert werden, wie auf Erden. Gib uns jeden Tag etwas Zauber, vergib den Engländern, so wie wir der neapolitanischen Mafia vergeben haben. Lass dich nicht im Abseits erwischen und erlöse uns von Havelange* und Pelé. Diego.”
Die 10 Gebote der Iglesia Maradoniana:
- Der Ball soll nicht befleckt werden, wie D10S zu seiner Ehrung sagte.
- Liebe das Fußballspiel über alles.
- Erkläre deine uneingeschränkte Liebe zu Diego und dem guten Fußball.
- Verteidige das Trikot Argentiniens, die Menschen dabei respektierend.
- Verbreite die Wunder Diegos im gesamten Universum.
- Ehre die Tempel (Stadien) wo er predigte, und seine heiligen Stoffe (Trikots/Sportkleidung).
- Du sollst Diego nicht für einen Verein in Anspruch nehmen.
- Predige immer die Grundsätze der Iglesia Maradoniana.
- Nimm Diego als zweiten Namen an und nenne so auch deinen Sohn.
- Sei kein Dickkopf und lass die Schildkröte nicht entkommen.
*FIFA-Präsident zu Zeiten Maradonas und Vorgänger von Sepp Blatter – wer den Namen nicht kennt, hat womöglich auch Diego nie live spielen gesehen. Ein Jammer.
Quellen:
- Diego Unser auf Zeit.de
- Iglesia Maradoniana auf Wikipedia
- Tod und Auferstehung auf Youtube