Freitag, März 22, 2024
Diary

Mein größtes Opfer

Schlüsselloch (© bergschaf, https://www.facebook.com/bergschaf.rocks/)

Seit je her war ich ein Mensch fröhlicher Natur und leuchtender Augen. In meiner Kindheit vor allem, ja sogar bis hin zu meinen fortgeschrittenen Flegeljahren, prägte ein irrationaler und unannehmbarer Hang zur Naivität, gar Leichtgläubigkeit meinen Charakter. Verstehen konnte ich nichts, was ich nicht nachvollziehen hätte können und doch glaubte ich jedes Wort, das mir ins Ohr geflüstert wurde. Das mag wohl eine Sichtweise auf die Welt sein, welche durch eine kriegsgeplagte Kindheit bei einer Vielzahl von jungen Menschen eingetreten ist, wohl muss aber auch jeder für sich damit klar kommen auf seine Weise und ich habe doch eher selten jemanden kennen gelernt, der die Welt so sah wie ich. Ich kam aber damit klar, gestärkt durch die Eingebung, dass ich für Großes bestimmt bin, entnahm ich negative Wahrnehmungen meinem Geiste und setzte guten Mutes fort.

Ich möchte jetzt nicht auf meine Kindheit eingehen und schon gar nicht Fragen beantworten, wie zum Beispiel wie ich hier her gekommen bin, wenn überhaupt möchte ich wissen wie ich jetzt weiter komme. Was soll ich machen, die Tür eintreten und mich zur Ruhe begeben?

In meinen Flegeljahren suchte ich mich, doch es war schwer. In verschiedenen Städten, in anderen Ländern verlor ich immer mehr, was ich glaubte zu sein. Die Wände welche ich im ganzen Leben um meinen Geist aufbaute um ihn rein von der Mortalität der Welt und der Vergänglichkeit des Seiens zu halten, drohten einzustürzen. Die ersten Brisen der Verwesung, die durch meine Barriere drangen, ließen schon den Unmut in mir hochsteigen. Ich sah allmählich die Welt so, wie sie angeblich sein sollte, mit all ihren Lücken und Lastern. Rau und ungepflegt, künstlich und aufpoliert, hochnäsig und ignorant, im Schein und der Verzweiflung. In kalter Panik stand ich mit offenem Mund da, ohne es zu wagen, etwas von mir zu geben, sogar die Ohren verschloss ich und verlor dabei meine Leichtgläubigkeit.

So trottelte ich dann in meinen Studentenjahren als halb leeres Schalentier durch das Leben. Meine neue Rüstung, eine dichter Nebel von Marihuana Rauch der mich nur bestimmte Winkel der Welt sehen lässt und wie ein automatischer Filter agiert, um das Trünkchen Reinheit, das ihn mir vorhanden war, zu erhalten.

Das Trünkchen Reinheit führte mich dann zu ihr, sie sah es und hielt daran fest. Mein Geist strahlte, auf einst verwischte die Verwesung und ich fühlte mich lebendig, aus Fleisch und Knochen, ohne Schale diesmal. Schön war es zu leben.

Doch ich bin kein lebender Mensch. Also mussten auch die Freude und das Licht aus meinem Leben weichen. Hinter einer kleinen Tür habe ich sie verschlossen. Sie wird nicht mehr mein Leben erhellen. Wenn ich des Bedürfnisses bin, meinen Geist auf seine Reinheit zu prüfen, kann ich immer noch einen Blick durch das Schlüsselloch werfen um zu sehen, ob er von Ihr noch erhoben wird. Den Schlüssel habe ich schon vor einiger Zeit verworfen, die Tür geht nicht mehr auf. Nur das Schlüsselloch habe ich. Die Tür könnte ich natürlich aufbrechen, doch habe ich Angst geblendet zu werden, habe ich Angst, dass mein Geist verbrennt unter Ihrem Licht. So wärme ich Ihn mit Blicken durch das Schlüsselloch und schaue zu, wie Knochen gemächlich zu Staub werden.

 


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