Donnerstag, April 25, 2024
Diary

Onkel Georges Hütte

Ich muss gestehen, dass ich bis auf die Verwurstung seines Stückes Pygmalion als Musical My Fair Lady nichts von George Bernard Shaw kenne. Eine Kulturlücke, gilt der Mann doch als zweitbester englischsprachiger Dramatiker nach Shakespeare. Außerdem war er Vegetarier, Pazifist, männlicher Feminist und Verfechter der Rassengleichheit. Cool. Andererseits sympathisierte er mit der Eugenik und hatte ein fragwürdiges Verhältnis zu den großen Diktatoren seiner Zeit. Uncool. Allerdings unter den damaligen Intellektuellen nicht ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich dagegen, dass er sowohl den Literaturnobelpreis als auch den Oscar gewonnen hat. Der einzige andere, dem das noch gelang, ist lustigerweise weder Autor noch Filmemacher, sondern Bob Dylan.

Der Mann hinter der Hütte. (via Wikimedia Commons)

Zurück zu Shaw. Der muss eine faszinierende und facettenreiche Persönlichkeit gewesen sein:  Der Prototyp eines Intellektuellen, der zu allem eine Meinung hat und diese pointiert und ohne Rücksicht auf Verluste kundtut. Heute würde der Mann wahrscheinlich einen Shitstorm nach dem anderen produzieren. Sicher keinen Shitstorm gäbe es jedoch wegen seines Arbeitsplatzes. Der war nämlich ebenso originell wie genial: Shaw hatte in seinem Garten eine kleine Schreibhütte, die mit einer einfachen Handbewegung wie ein Karussell gedreht werden konnte. Innen war das Ding spartanisch eingerichtet, um den Meister bei der Arbeit nicht abzulenken, aber dafür konnte er sich immer nach der Sonne drehen.

Die Hütte mit dem Dreh: Sieht eigentlich ganz unspektakulär aus. (via Wikimedia Commons)

Für Leute wie mich, die unrund werden, wenn sie einen Sonnenstrahl verpassen, die Erfüllung eines Lebenstraums. Wie geil wäre es, wenn ich meinen Arbeitsplatz so einfach nach der Sonne drehen könnte! Zumal sich das Prinzip heutzutage technisch erweitern ließe, mit Sensoren und einer Automatik, die per Sprachausgabe jede Drehung mit „Go-Go-Gadget-o-Hütte!“ ankündigt. Leider kann man solche Hütten (und in meinem Fall auch den dafür nötigen Garten in Sonnenlage) nicht einfach beim Obi kaufen. Thomas Brezina hat einen (unbeweglichen) Schreibwagen im Garten, was auch schon sehr cool ist. Aber Altmeister Shaws Drehhütte, die heute als Teil des Anwesens Shaw’s Corner ein englisches Nationalmonument ist und in Hertfordshire besichtigt werden kann, bleibt für mich unerreicht. Wenn ich wieder mal in England bin, muss ich da dringend hinschauen und ein paar Runden drehen.

Daumen hoch: Thomas Brezina und sein Schreibwagen. (via instagram.com/thomasbrezina)

Fest steht außerdem: Das geplante neue Trift-Hauptquartier wäre sogar NOCH besser, wenn man es drehen könnte.

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