Dienstag, Dezember 24, 2024
Diary

Spinatlehren

Gartenspinat / Spinacia oleracea (Wikipedia)
Gartenspinat / Spinacia oleracea (Wikipedia, gemeinfrei)

Der angeblich so hohe Eisengehalt im Spinat ist ein Paradebeispiel für eine Fehlinformation, die von der Wissenschaft kommt, nie so gemeint war, wie sie verstanden wurde, und sich teilweise bis heute im Alltagswissen vieler Menschen wiederfindet. Auch ich wurde mit dem Glauben großgezogen, Spinat wäre sehr eisenhaltig und mache deswegen stark und gesund. Spinat ist ein sehr gesundes Gemüse, doch so gesund auch wieder nicht – oder doch?

Nach allen Regeln der Wissenschaft bestimmte der Physiologe Gustav von Bunge den Eisengehalt von Spinatpulver und publizierte seine Forschungsergebnisse im Jahr 1890. Seit dieser Zeit wurde der gigantisch anmutende Eisengehalt von 35mg Eisen auf 100g Spinat immer wieder in wissenschaftlichen und populären Medien zitiert – dabei  wurde nur „vergessen“ zu erwähnen, dass von Bunge bei der Bestimmung des Eisengehalt Pulver und keinen frischen Spinat verwendet hatte, wodurch der Wert in weiterer Folge etwa um den Faktor 10 falsch verstanden wurde.

Dem „Wundergemüse Spinat“ wurde fortan zugeschrieben, extrem gesund und, durch den hohen Eisengehalt, dem Muskelaufbau förderlich zu sein. Es liegt nahe, dass auch die Erschaffer von der Trickfilmfigur Popeye diesem Irrtum aufsaßen und ihm deswegen die Spinatdose als Markenzeichen und Starkmacher aufdrückten. Im Endeffekt führte diese gefährliche Kombination aus fehlinterpretierter Wissenschaft und ihrer Verbreitung bis tief in die Gemeinkultur dazu, dass Kinder über Generationen hinweg mit viel mehr Spinat am Teller aufwuchsen, als es sonst der Fall gewesen wäre – und vermutlich „genossen“ ihn einige Kinder auch widerwillig.

Was kann man daraus lernen? Auch wenn die Wissenschaft für gewöhnlich die zuverlässigste Quelle validen Wissens darstellt, weist uns diese Geschichte wieder einmal darauf hin, dass erstens auch dort Fehler passieren, und zweitens, dass sie keine letztgültigen Wahrheiten produziert. Zumal laut John Ioannidis, einem Epidemiologen aus Griechenland, in der Medizin jede dritte wissenschaftliche Studie spätestens nach fünf Jahren widerlegt ist – jedoch ohne dass damit aufgehört würde, diese zu zitieren!

Spinat ist anscheinend trotzdem ein sehr gesundes Gemüse, und enthält einigermaßen große Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen. Sogar die Starkmacher-Geschichte dürfte nicht ganz falsch sein: Ein Forscherteam an der Rutgers-University in New Jersey konnte in der Spinatpflanze ein Pflanzenhormon identifizieren, welches von Menschen verwendeten Steroiden zum Muskelaufbau stark ähnelt. Sie äußern die Vermutung, dass das Muskelwachstum beim Menschen um 20 Prozent beschleunigt werden kann. Grundvoraussetzung dafür ist der Verzehr von mehr als einem Kilo Spinat – täglich. Na Mahlzeit!

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