Donnerstag, März 28, 2024
Diary

Such Is Life #14 – Ich kränkle, also bin ich

Die Geschichte von William McIlroy ist seine eigene Krankengeschichte. Er gilt als Paradebeispiel für das Münchhausen-Syndrom, einer psychischen Störung, bei der die Betroffenen körperliche Beschwerden vortäuschen bzw. selbst verursachen und überzeugend präsentieren. Im Falle McIlroys wurde ärztliche Zuwendung zur Lebensobsession.

Eine der wenigen tatsächlichen Verletzungen McIlroys: Eine Oberschenkelfraktur (THWZ / wikimedia commons)
Eine der wenigen tatsächlichen Verletzungen McIlroys: Eine Oberschenkelfraktur (THWZ / wikimedia commons)

Wann und wo William McIlroy geboren wurde, lässt sich nicht genau festmachen. Vermutlich erblickte er im Jahre 1906, irgendwo in Irland, das erste Mal das Licht der Welt. Was ihn dann bis 1944 beschäftigte, liegt wiederum im Dunklen. Seine Verwandten, so berichtete er stets im Krankenhaus, fielen allesamt der IRA zum Opfer.

Seine Geschichte beginnt also im Jahr 1944. Wegen einer nicht heilenden Verletzung am linken Knie ließ er sich mehrfach ins Belfast City Hospital einliefern. Damals noch unprofessionell, wurde er als Simulant entlarvt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die er von 1947 bis 1952 in einer psychiatrischen Heilanstalt absaß. Für McIlroy war das eine Lektion. In Zukunft würde er sich nicht mehr erwischen lassen. 1954 wurde er wegen einer angeblichen Lungenverletzung ins Charing Cross Hospital in London eingeliefert. Kurz darauf zeigten sich schwere neurologische Symptome wie Kopfschmerzen, Nackensteifheit und halbseitige Lähmung. Trotz aller verfügbaren Untersuchungsmethoden konnte niemals eine Ursache festgestellt werden. McIlroy hatte seine Zeit im Krankenhaus jedoch aufs Maximum gedehnt und verließ dieses ungestraft.

Im Verlauf seiner „Karriere“ ließ er sich dutzendfach aufgrund diverser Beschwerden behandeln. Seine neurologischen Probleme, seine Schwerhörigkeit, Lähmungen, Atemnot oder Unterleibs- und Brustschmerzen konnten niemals restlos behandelt werden. Dennoch ertrug er zig Notoperationen und invasive Untersuchungsmethoden. Mindestens 48 Mal wurde ihm Flüssigkeit aus der Wirbelsäule entnommen, mindestens vier Mal der Bauch geöffnet, sowie eine Hüftprothese eingesetzt. Die Anzahl der durchgeführten Röntgenuntersuchungen geht vermutlich in die Tausende.

Ingesamt sind über 200 Einlieferungen in mindestens 68 Heilanstalten in England und Irland dokumentiert. Dabei verwendete McIlroy unterschiedliche Kombinationen aus etlichen Nachnamen und Vornamen. Sein Vorname „William“ ist nicht belegt, sondern bezieht sich auf den von ihm am häufigsten verwendeten Namen. Um nicht erwischt zu werden, passte er sein Krankheitsbild beständig an, und verließ eine Krankenanstalt, sobald das Risiko aufzufliegen zu groß wurde. In 133 Fällen entließ er sich selbst und spazierte teilweise einfach ins nächste Krankenhaus. Mindestens einmal checkte er gar im Pyjama des letzten Hospitals im nächsten ein.

William McIlroy war ein Großmeister der Krankheitssimulation und besaß eine extreme Leidensfähigkeit. Über die Jahre spiegelte sich dies auch in seinem Erscheinungsbild wider. Sein Körper war mit Narben übersät, reagierte teilsweise nicht auf Reflextests, ihm fehlte der rechte Zeigefinger, er hatte Bohrlöcher in der Schädeldecke, einen permanenten Luftröhrenschnitt und eine Hüftprothese. Nach seiner fast 40-jährigen Krankenhausodyssee entließ er sich schließlich 1983 in einem Altersheim aus dem Leben.

Weiterführende Links

Weitere Lebensgeschichten auf trift