Als ich klein war, lebte ein Junge namens Pavel in unserer Nachbarschaft. Er war ein sehr zurückhaltender Charakter und hatte kaum Freunde. Vor einigen Jahren traf ich ihn, und er erzählte mir, dass er beschlossen habe zu verschwinden – er wolle sein Leben künftig in einer Kommune auf einer der Kapverdischen Inseln verbringen. Auf meine Frage nach dem Grund für diesen Entschluss kramte er ein altes Tagebuch hervor und übergab es mir mit der Aussage, ich würde alles verstehen, „wenn du DAS nur liest“. Da wir Pavel wohl nie wieder sehen werden und er sowieso meinte, ich könne mit dem Tagebuch machen, was ich wolle, wird es nun hier Stück für Stück veröffentlicht. Denn ich (alleine) verstehe nicht ganz, was ihn wohl bewegt hat.
Liebes Tagebuch,
es war wieder einer dieser ‚holt mich hier raus‘-Tage heute. Alles begann auf dem Weg zum alljährlichen Ringelblumenzüchtertreffen in der schönen Hauptstadt unseres Staates. Ich wählte den öffentlichen Autobus, um dorthin zu gelangen, doch bedachte ich nicht, dass auch die Landstreicher zur gleichen Zeit tagten und ich mit Ihnen den Bus teilte. Die Fahrt wurde zum absoluten Horrortrip.
Ein Landstreicher, der von allen Saurally genannt wurde, konnte sich nach 12 Sekunden Busfahrt nicht mehr beherrschen und urinierte in den Eimer, der für diversen Müll vorgesehen war. Stockbesoffen wurde dann dieser in die Menge der Reisenden verschüttet, was freudiges Johlen unter den Landstreichern zur Folge hatte. Ich war bereits zu diesem Zeitpunkt den Tränen nahe, als dann ein russisches Weib meine Partei ergriff und mit einem zufällig mitgeführtem Kuhschwanz auf ‚Saurally‘ einzuprügeln begann. Sie lachte dabei und rieb sich mit der anderen Hand ihren Hintern.
Der Buschauffeur leitete dann, sichtlich unbeindruckt von diesem Spektakel, eine Notbremsung ein und
warf sich unter dem neuerlich aufwiegendem Gejohle der Landstreicher ins Getümmel und schlug mit eiskalter Präzision auf zufällig gewählte Gesichter ein und schrie: ‚Rache für Uson, Tochter der Liebesgöttin‘.Ich wartete darauf aufzuwachen, doch verliess ich schweigend den Bus, für alle Fälle. Ich legte dann die restlichen 23 km zu Fuss zurück und betete zu Christus, dem Retter, er möge mir ein Blasenpflaster aufkleben auf meinen Fuss.
Der restliche TAg war dann schön; freundliche Ringelblumenzüchter, Blutwurst zum Hauptmahl und gepflegte Toiletten, aus denen man trank, da die Wasserzufuhr eingestellt war und sich das einzig gespeicherte Wasser in den Spülkästen befand. Um mir weiteren Stress zu ersparen, dressierte ich Tauben, die mich nach Hause fliegen sollten. Es gelang und ich war Stunden später, zwar nicht zu erkennen unter den Taubenexkrementen, zu Hause und liess mich in mein Bettchen fallen. Schwarz.