Montag, März 18, 2024
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Warum Zombies faszinierend sind

Eine schaurige Vorstellung ist das: Als Mensch des freien Willens beraubt zu sein. Noch schlimmer ist es vielleicht, nicht sterben zu können. Die Kombination dieser zwei Dinge macht den modernen Zombie. In unzähligen Filmen und TV-Serien wackeln Untote durch die Gegend und zeigen sich dem Streben nach höheren Zielen entmachtet. Der Zombiemythos verkauft sich gut. Doch wo wurzelt diese Faszination? Liegt es daran, dass wir uns selbst wie Zombies fühlen? Oder daran, dass wir andere als Zombies wahrnehmen? Oder fehlt uns eine gemeinsame Bedrohung, der wir lieber gegenübertreten würden als den ganzen Klimakatastrophen und Bankenkrisen?

Echte Voodoo-Zombies?!

Haitischer Zombie (Symbolbild via http://nevsedni-svet.cz)
Haitischer Zombie (Symbolbild via http://nevsedni-svet.cz)

Erschreckenderweise gibt es eine anthropologische Grundlage des Zombiemythos. Die Klassiker des Zombiefilm-Genres handeln meist von willenlos gemachten Menschen, die unter einem Zauber stehen. Diese Vorstellung schwarzer Voodoo-Magie wurde von US-Besatzern aus Haiti (Besatzung von 1915 bis 1934) in den Westen importiert und basiert auf einem dort noch immer verbreiteten Volksglauben an verhexte lebende oder untote Menschen. Obwohl keine einheitliche Theorie dazu existiert, konnten einige Ethnologen auf Haiti tatsächlich immer wieder Hinweise auf zombifizierte Menschen finden. Michel Leiris definierte 1929 haitische Zombies als Personen, die künstlich in einen Scheintodzustand versetzt, beerdigt, wieder ausgegraben und geweckt werden. Im Glauben daran eigentlich tot zu sein, wurden die derart „hergestellten“ Zombies als Diener zur Verrichtung niederer Arbeiten oder als Lasttiere eingesetzt. Der Anthropologe Wolf-Dieter Storl fügt diesem Ansatz hinzu, dass vermutlich Kriminelle einer derartigen Prozedur unterworfen und mit der regelmäßigen Gabe von Atropin in ihrem dämmrigen Zustand gehalten wurden. Der Ethnobotaniker Wade Davis entdeckte 1982 auf einer Reise durch Haiti eine Substanzen, die als Mittel zur Zombifikation von Menschen verwendet wurde. Das Gift des Fou-Fou, eines Kugelfisches, soll in geringer Dosis einen scheintodartigen Zustand hervorrufen.

In den frühen Zombiefilmen ab den 1930er Jahren war es vor allem die Willenlosigkeit der Zombies, die Angst und Schrecken erzeugt. Ein Wesen in Menschengestalt, entrissen seiner Seele und Moral, oder gar gelenkt durch einen fremden Verstand, weilt unter „normalen Menschen“.

Japanisch erzeugter Zombie (via youtube.com)
Japanisch erzeugter Zombie (via youtube.com)

Es ist naheliegend, dass diese Vorstellung beklemmend ist, egal, ob es sich um die Fantasie handelt, selbst betroffen zu sein, einen nahen Verwandten entartet um sich zu haben, oder aber Opfer eines solchen Nicht-mehr-Menschen zu werden. Der Kern des Horrors lag damals vermutlich im festen Glauben an die Unerschütterlichkeit der eigenen Identität. Konstituiert in engem familiären und nachbarschaftlichen Rahmen, mit festen Überzeugungen und strikten Rollenbildern, schauerte dem überlebensfähigen Menschen vor dem Fehlen von Moral und Verbindlichkeit. Als Unterhaltungswerk schlugen Zombiefilme vor allem in diese Bresche. Nach dem Abspann folgte die Rückkehr zu sich selbst, zum eigenen Leben, zu eigenen Aufgaben, zur Illusion freien Willens.

Die Angst davor, willenlos gemacht zu werden, lieferte auch den Stoff für Batmans ersten Filmauftritt im Jahr 1943. Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs ist es der Japanische Bösewicht Dr. Daka, der die Absicht verfolgt, patriotische Amerikaner in Zombies zu verwandeln, die seinem Willen folgen. Obwohl es vermutlich nicht in der Absicht der Filmemacher lag, wird angenommen, dass die 15teilige Serie nachbearbeitet wurde, um dem Zeitgeist und der politischen Lage zu entsprechen. Die Gefährdung der Nation und Dialoge, die vor Rassismus gegen Deutsche und Japaner übergehen, lieferten den passenden Stoff für das damalige US-Publikum.

Vom willenlosen Wesen zur Mördermaschine

Im modernen Zombiefilm steht die Willenlosigkeit der Zombies nicht mehr im Vordergrund bzw. präsentiert sie sich anders. Zombies wollen etwas. Zombies wollen Menschenfleisch. Zombies wollen alles Leben in Zombies verwandeln. Sie treten meist nicht in kleinem Rahmen auf, sondern in apokalyptischem Ausmaß.

"Wenn die Hölle voll ist..." Dawn of the Dead - Poster (via en.wikipedia)
„Wenn die Hölle voll ist…“ Dawn of the Dead – Poster (via en.wikipedia)

Diesen Wandel des Zombiefilm-Genres läutete vor allem George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ im Jahr 1968 ein, der vor allem mit der Darstellung von Gewalt und Entstellung punktete. Magie und Zauber hatte als Erklärung für die unheimliche Verwandlung in Zombies ausgedient. Externe Faktoren, wie radioaktive oder außerirdische Strahlung, kamen ins Spiel und ersetzten so den konkreten Auslöser durch eine ungreifbare und unfassbare Gefahrenquelle.

Spätestens seit Romeros Fortsetzung „Dawn of the Dead“ (1978) wurde die Willenlosigkeit der Zombies kollektives Wollen. Die Masse an Untoten, die sich wie Marionetten gleichen, spiegeln den geistlosen Menschen der Konsumgesellschaft wider. Romero wollte mit seinem Setting im Einkaufszentrum auf diesen Umstand hinweisen, und zahlreiche Kulturwissenschaftler sind davon überzeugt, dass die Faszination des Zombiefilms von einem Sich-selbst-als-Zombie-Wiedererkennen lebt: Wir sind, was wir kaufen – zur Uniformität verdammt. Stellt man sich die filmische Fiktion als Klassenkampf vor, sind die „dummen“ Zombies die Proletarier, die durch äußere Umstände verändert sind, und hoffen sich durch maßloses Fressen der kleinen elitären Gruppe anschließen zu können, von der sie beherrscht wird. Als Zuseher fiebert man natürlich überzeugt mit der kleinen Gruppe der Lebenden mit – man ist doch kein Zombie. Raffiniert spielt der Zombiefilm mit der immergleichen Alltagsrealität der westlichen Menschheit und vermittelt dabei die Illusion, dass jeder einzigartig ist, zum Helden werden kann, überleben kann.

Um Angst und Schrecken im Kino zu verbreiten reichte das Fehlen von Identität nicht mehr aus. Furcht erzeugen Zombies, die zu viel vom immergleichen Falschen wollen. Weniger subtil brachte die Zombiekomödie „Shaun of the Dead“ im Jahr 2004 dieselbe Botschaft unters Volk. Shaun nimmt selbst wenig am Leben teil und beim Ausbruch der Zombieepidemie sind die Untoten kaum von Everyday-Londonern zu unterscheiden, die ihrer täglichen Routine nachgehen. Kulturpessimistisch könnte man fast meinen, dass die Anspielung weniger brachial inszeniert niemand mehr verstehen würde.

Ich bin kein Zombie, ich kämpf‘ ums Überleben!

Charaktäre aus "The Walking Dead" (via hdwallpapers.in)
Charaktäre aus „The Walking Dead“ (via hdwallpapers.in)

Nachdem in den 1990ern kaum Zombiefilme produziert wurden, brach mit den 2000er Jahren eine neue Welle an Zombiefilmen über die westliche Welt herein. Zahlreiche Szenarien, die die kollektive mediengelenkte Wahrnehmung bedrohen, werden im etablieren Zombiemuster auf der Leinwand zur Realität: Virale Ausbrüche, biologische Waffen, genetische Mutationen und allerlei pseudo-wissenschaftlich plausibilisierbare Bedrohungen setzen die Zombieapokalypse in Gang, der nur wenige entkommen können. Als wäre dieser Trick aus dem Geschäft mit der Popmusik entlehnt, bieten heutige Zombiestreifen in der Regel eine größere Menge an Hauptfiguren an, mit denen sich das Publikum identifizieren kann. Große, kleine, dicke, dünne Egoisten und Altruisten kämpfen alleine oder gemeinsam ums Überleben.

Wie die vielgehypte TV-Show „The Walking Dead“ zeigt, geht Angst und Schrecken meist von den anderen Überlebenskünstlern aus. Vertrauen kann tödlich sein. Die (fleisch-)konsumgeile Masse ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden und das Individuum ein Experte für die eigene Sicherheit. Der Mensch der krisengebeutelten Wohlstandsgesellschaft findet seine Identität als Reaktion auf medienvermittelte Probleme. Wer neben der täglichen Erwerbsarbeit noch Zeit hat, investiert in seine Fitness, legt Überlebenspakete an, besucht ein Survival-Camp, kauft Gold oder Immobilien für den großen Kapitalcrash, oder gibt sich damit zufrieden, sich beim Fernsehen zu denken, sie/er/es hätte es genauso gemacht, wie der sympathische Held. Wenn diesem doch etwas passiert, ist’s auch nicht so schlimm, denn der nächste Film kommt bestimmt und bis dahin gilt’s allerlei Routineleben zu meistern.

 

Weiterführende Links / Quellen