Samstag, April 20, 2024
Diary

Von wegen Frauen frieren mehr als Männer

Um mit dem Vorurteil, Frauen wäre schneller kalt als ihren männlichen Zeitgenossen, aufzuräumen, sei folgende kurze Episode aus meinem weiblichen Eiskletternähkästchen erzählt.

Sonntag früh morgens am Treffpunkt mit meinem Eiskletterpartner. Noch nicht einmal im gelobten Eiskletterland eingetroffen, nehme ich schon ein leichtes Wehklagen ob der angezeigten minus15 Grad war. Schnell packen wir unser ganzes Equipment in mein Auto, damit man aufgrund des längeren Herumstehens nicht gänzlich auskühlt.

Ich starte los und ab geht’s in Richtung Eis, Kälte, Gottseidank kaum Schnee – Eiskletterer mögen keinen oder nur wenig Schnee – und blau schimmernde gefrorene Wasserfälle. Das Klettern an steilem Eis hat schon etwas Besonderes zumal zum Anspruch des Kletterns ohne fixen Sicherungen auch noch das lang geübte Einschätzen der Eisqualität kommt.

Weibliche Eiskletterinnen sind sich hier den Gefahren wie auch in anderen alpinen Disziplinen wohl bewusster als ihre männlichen Kollegen. Auch steht die Vernunft und der Mut zum Umkehren im Vordergrund, nicht die Tatsache, dass nur derjenige, der viel Angstschweiß produziert , und die wohl noch gefährlichere Tour als die im letzten Facebook Post veröffentlichte Linie klettert, ein wahrer Alpinist ist. (im Gegensatz zu manch männlichem Bergsteiger hat Gerlinde Kaltenbrunner noch alle Finger und Zehen).

Wir fahren also auf der Autobahn weiter, die Augen meines Eiskletterpartners hängen am Temperaturanzeiger meines Cockpits. Es wird stetig kälter! Ich muss die Sitzheizung anmachen! Ob wir nicht doch vorher noch einen Kaffee trinken sollten? Na gut, wir legen noch eine Pause an der Raststation ein und stärken uns noch bei Cappuccino und Croissants.

Nach einer weiteren Stunde setzen wir unser Fahrt fort und bereits nach der Tunnelausfahrt ist es gewiss: auch am späteren Vormittag hat es noch minus 19 Grad.

Am Parkplatz vor unserem Eisfall angelangt und aufgeheizt vom warmen Autositz springt mein Kletterpartner aus dem Auto in der Meinung es wäre ihm eh nicht kalt. Doch schon nach dem sehr raschen Ausflug hinter den ersten Baum muss er sich eingestehen, dass es wohl doch frostiger ist als angenommen.

Wir packen alles zusammen, marschieren los und angekommen am Ziel der kalten Glückseligkeit müssen alle Kleidungsstücke, die wir mithatten angezogen werden. Mein Kletterpartner besteht auf 4 Paar Handschuhe, 2 Hosen und mindestens 3 Jacken; er sieht aus wie ein Michelin Männchen.

Ein Wunder, dass er sich überhaupt noch bewegen kann. Ich komme mir mit meinen beiden Paaren an Handschuhen schon sehr underdressed vor, aber ich verspüre keine unangenehme Kälte. Grad wenn es ein wenig friert, schüttle ich die Finger kräftig nach unten, dann geht’s es wieder. Auch meine Zehen sind trotz oder genau wegen der dünneren Socken nicht kalt, da sie noch die Möglichkeit der Bewegung von mir bekamen.

Wichtig ist, dass der Hals warm ist, und der Kopf unter dem Helm auch noch durch eine halbdünne Mütze geschützt wird. Eine warme Jacke über dem Funktionspulli reicht auch, denn ich bestehe immer auf kurze Seillängen im Eis, um langes Stehen und damit einhergehendes Frieren zu vermeiden.

Tja, aber es kommt immer anders als frau denkt. Nach 2 kurzen und kalten Kletterlängen beschließen wir abzuseilen, da laut meinem Kletterpartner das Eis heute wohl zu spröde zum Klettern ist. Wir bauen noch eine Eissanduhr zum Abfahren und packen rasch wieder alles zusammen; was eine Zeit braucht, bei der Menge an Material.

Ich gebe ihm natürlich Recht, denn eine Frau, die nicht friert, ist keine Frau! Und ich wollte künftige Eisklettertage bei weniger eisigen Temperaturen nicht gefährden, denn er ist ja ein netter Kerl.

Vielleicht liegt es an meinem Alter, da ich ja auch schon näher an den 100 bin als mein Eiskletterpartner, denn man sagt ja immer, dass Frauen in den Wechseljahren mehr schwitzen als sonst. Oder die Tatsache, dass mehr Muskeln wärmer halten als die sanfte Fettschicht des Frauenkörpers stimmt auch nicht. Die Lösung ist wohl eine Kombination aus beidem: ich bin muskulöser als mein Kletterpartner und aufgrund meines Alters auch noch kälteresistent!!

Oh, ich freue mich schon auf den nächsten kalten Winter, vielleicht such ich mir eine gleichaltrige Eiskletterpartnerin.