Es ist eine philosophische Binsenweisheit, dass die persönliche Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit ein mächtiges Werkzeug zur Bestimmung von Sinn und Unsinn im Leben bietet. Ein Bewusstsein über das zeitliche Limit körperlichen Daseins lädt dazu ein, sich Klarheit über die Prioritäten des Alltags zu verschaffen.
Seit knapp 15 Jahren fotografiere ich tote Tiere. Warum dieses Motiv einen derartigen Reiz auf mich ausübt, ist mir nicht klar. Ich mache es einfach. Diese eigenartige Unergründlichkeit mag daran liegen, dass es dafür nicht den einen Grund gibt. Der Anblick von dahingeschiedenen Tierkörpern löst einen mannigfaltigen Schwall von subtilen Empfindungen aus und es fühlt sich an, als würden ungestellte Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung vermutlich wichtig ist, vielleicht aber auch nicht.
Fest steht zweierlei. Erstens, dass der Anblick von Kadavern bei den meisten Betrachtern Ekel hervorruft. Diese Tatsache hat wohl instinktiv mit der Ungenießbarkeit oder auch Giftigkeit von verwesenden Körpern zu tun. Don’t touch! Zweitens, dass tote Tiere seltene Schätze des Alltags sind. Verendetes Wild wird vom Jäger entfernt, Haus- und Nutztiere landen bei der TierKörperVerwertung und werden industriell verarbeitet: Die Konfrontation mit dem Tod ist außeralltäglich.
Will man den Gegenstand der Faszination unbedingt in die Welt des geistig Verwertbaren überführen, fallen mir ansonsten einige Betrachtungswinkel ein, die man für relevant befinden könnte: Wie sieht der Unterschied zwischen lebenden und toten Körpern aus? Braucht Leben ein Ziel? Wie wirkt diese Bewegungs- und Kraftlosigkeit auf mich? Wie sieht denn die innere Anatomie live aus? Sehe ich irgendwann auch so aus? Warum stinkt das so? Soll ich morgen wirklich arbeiten gehen? Warum hat das noch niemand weggeräumt? Oder macht man das hier nicht? Ist das der natürliche Kreislauf? Warum will ich dann immer mehr und mehr?
Jedenfalls muss man nicht alles zerrdehnken. Schauen und Wundern besitzt seine eigene Qualität.