Montag, Dezember 30, 2024
Diary

Peter Florjancic – Würdigung eines zu Unrecht unbekannten

Was haben IKEA-Gründer Ingvar Kamprad und Peter Florjancic gemeinsam? In fast jedem europäischen Haushalt findet sich eines ihrer Produkte. Wobei man von Peter Florjancic erfundenes vermutlich in noch größerer Zahl antreffen kann. Trotzdem ist der Name Kamprads eher geläufig als jener des Slowenen Florjancic. Eine große, unverständliche Ungerechtigkeit, bietet Florjancics Leben doch Stoff für weit mehr als nur einen Trift-Artikel. Diesem Missstand soll mit diesem Artikel entgegen getreten werden.

Wer also war Peter Florjancic? In nur einem Satz ist seine vielfältige Persönlichkeit nicht zu beschreiben, war er doch stets „immer an allem interessiert“, wie seine Frau einmal meinte. Er war  unter anderem als Skispringer, Musiker und Schauspieler aktiv und jedenfalls ein überzeugter Lebemann. Seine größte Leidenschaft und die Grundlage für seinen versteckten Ruhm war jedoch sein Wirken als Erfinder. Dazu später mehr.

Florjancic wurde 1919 im idyllischen slowenischen Touristenstädtchen Bled am Fuße der julischen Alpen in eine Hoteliersfamilie geboren, der damals so ziemlich die gesamte touristische Infrastruktur des Ortes gehörte. Da Bled in dieser Zeit beliebtes Urlaubsziel der europäischen Hautevolle war, knüpfte er bereits früh Kontakte zu allem, was damals in Europa Rang und Namen hatte. Er sollte sich sein Leben lang in diesen Kreisen bewegen und dort auch gerne ein gesehener Gast sein.

Sein Erfindergeist machte sich früh bemerkbar. Als er sechs Jahre alt war, startete er seine Laufbahn als ihn seine Mutter dafür rügte, sich immer mit dem Bund des Hemdärmels den Rotz von der Nase zu wischen. Er schnitt die Zehen eines Sockens ab, wickelte das so entstandene Band um den Hemdärmel und konnte fortan unbehelligt von seiner Mutter seiner „Leidenschaft“ frönen. Die Fischer am Bleder See faszinierten ihn, jedoch war er nicht gewillt, sich bereits frühmorgens für mehrere Stunden auf den See hinaus zu begeben, um mit einem Fisch zurück zu kommen. Kurzerhand entwickelte er eine Konstruktion, mit denen er Fische über Nacht, während er schlief, fangen konnte. Am nächsten Tag brauchte er sie nur einzusammeln.

Doch zunächst sollte der Sport das Leben des jungen Peter bestimmen. Bei den olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch Partenkirchen trat er im Skispringen an und war mit seinen damals 16 Jahren der jüngste jugoslawische Olympiateilnehmer. Kurz darauf war er Zeuge, als Josef „Bubi“ Pradl im unweit Florjancics Heimat gelegenen Planica als erster Mensch einen Sprung über 100 Meter auf Skiern stand.

Die politische Entwicklung und der Beginn des zweiten Weltkriegs setzten seiner Sportlerkarriere ein jähes Ende. Slowenien wurde von den Achsenmächten besetzt und Florjancic sollte für die deutsche Wehrmacht an die Ostfront. Dem entzog er sich, indem er zusammen mit einem Freund eine ihm bekannte Hoteliersfamilie in Kitzbühel besuchte, wo sie ihren eigenen Tod in einer Lawine am Hahnenkamm fingierten. Heimlich schlugen sie sich zum Stanglwirt in Going durch. Dort holte sie der einzige in ihren Plan eingeweihte Bekannte mit dem Auto ab und brachte sie ins Vorarlberger Montafon. Mit den Skiern ging es weiter in die Schweiz, wo sie um Asyl ansuchten und es auch bekamen. So lebte er zunächst mittellos als Flüchtling in der Schweiz.

Hier machte er seine erste Erfindung, die ihm wirtschaftlichen Erfolg brachte. Die vielen Versehrten des Weltkriegs veranlassten ihn dazu, einen Webstuhl zu erfinden, den auch Kriegsinvalide bedienen konnten. Sein zeichnerisches Talent nutzte er, um Frauen kennen zu lernen, indem er diese in Cafés zeichnete, worauf er immer ins Gespräch mit den ungewollten Modellen seiner Kunst kam. Auf diese Arte lernte er auch seine spätere Frau Verena, mit der er über 60 Jahre lang verheiratet sein sollte, kennen. Bald darauf zog er mit ihr nach Monaco, wo er fast 15 Jahre lang verweilen sollte.

In Monaco lernte er König Faruq I. Von Ägypten kennen, welcher seine Kreativität, seine Lebenslust und sein Talent, Geschichten zu erzählen, schätzte. Faruq finanzierte ihn und seine Ideen generös. Bald war Florjancic gern gesehener Gast bei den gesellschaftlichen Anlässen der High Society. Er machte unter anderen mit Frank Sinatra, Orson Wells, Salvador Dalí, Coco Chanel, Audrey Hepburn und Marlene Dietrich Bekanntschaft. An der Seite von Dietrich spielte er alsdann  eine Rolle im Film „Monte Carlo Story“.

Bei den gesellschaftlichen Anlässen fielen ihm die damals gebräuchlichen, sehr voluminösen Ballonzerstäuber von Parfümflaschen der Frauen auf. Diese Entdeckung sollte ihn zu seiner ersten Erfindung veranlassen, die auch ihren Siegeszug um die Welt antrat. Er erfand den heute noch gebräuchlichen Druckzerstäuber. „Man muss die Leute nur beobachten“, sagte er auf die Frage, woher er die Ideen für seine Erfindungen nähme.

Als er Monaco schließlich verließ, um sich in den folgenden Jahren unter anderem in Villach, Garmisch-Partenkirchen, Frankreich und Italien nieder zu lassen, schrieb er dem geliebten Fürstentum ein Abschiedslied, das er gerne auf seiner Knöpferlharmonika intonierte. Dem Parfümzerstäuber, der ihm den internationalen Durchbruch als Erfinder brachte, folgten in diesen Jahren zahlreiche weitere Entwicklungen, die seinem stets neugierigen Geist entsprangen. Florjancic zeichnet zum Beispiel verantwortlich für Plastikdiarahmen, die Skiständer die noch heute in den Alpen vor allen Skihütten zu finden sind und Hartschaleneislaufschuhe.

Doch nicht alle seine Ideen waren so erfolgreich. Die Serienproduktion eines ersten Plastikreißverschlusses scheiterte daran, dass er keinen Kunststoff fand, welcher den hohen Temperaturen beim Bügeln stand hielt, weswegen sich alle Prototypen dabei auflösten. Auch der erste Airbag für Autos geht auf ihn zurück. Bereits 1957 fiel ihm in den Niederlanden auf, dass viele Autounfälle im Wasser endeten worauf das Fahrzeug versank. Also entwickelte er Airbags, die das Auto an der Wasseroberfläche halten sollten. Hierbei war er ebenso seiner Zeit voraus. Damalige Technik und Materialien machten eine serienmäßige Umsetzung unmöglich. Doch von derartigen Misserfolgen ließ sich Florjancic nicht entmutigen. Stetig beobachtete und forschte er weiter und meldete schließlich in seinem 101jährigen Leben mehr als 400 Patente an, von denen über 40  realisiert wurden. Seine wohl weitreichendste Erfindung war eine Plastikspritzgussmaschine welche ihm endgültig ein Leben in relativem Wohlstand ermöglichte.

Doch Peter Florjancic hielt nicht viel davon, diesen anzuhäufen. „Ich hatte sieben Häuser und habe sie alle verprasst. Aber ich hatte eine großartige Zeit.“, sagte er einmal in einem Interview. Da ihn Pensionsvorsorge nie recht interessiert hatte, arbeitete er bis zuletzt an neuen Erfindungen. Obgleich er bereits fast erblindet war, zeichnete er unablässig neue Ideen auf. Seine letzte Erfindung war ein Workoutbett, in dem auch bettlägerige Menschen Fitnessübungen machen konnten. Aufgrund seiner körperlichen Rüstigkeit führte er es selbst noch gerne vor.

Peter Florjancic starb am 14. November 2020 in seinem Heimatort Bled, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte. Jahrzehnte davor hatte er seiner Mutter versprochen, zum Sterben dorthin zurückzukehren. Er besaß im Laufe seines Lebens 5 Staatsbürgerschaften und 43 Autos. Seine intensive Reisetätigkeit ließ ihn 25 Jahre in Hotels, vier Jahre in Autos, drei Jahre in Zügen, eineinhalb Jahre in Flugzeugen und ein Jahr an Bord von Schiffen verbringen, wie man seiner Biographie entnehmen kann. Selbst war er sich der Außergewöhnlichkeit seines Lebens durchaus bewusst, denn er behauptete einmal, dass sich Hitchcock anstrengen müsste, sein Leben zu verfilmen, womit er wohl vollkommen recht hatte.

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