Donnerstag, Dezember 26, 2024
Diary

Treffen der Generationen

Dieser Beitrag wird uns von Markus Sammer präsentiert.

Vor ein paar Tagen saßen meine Freundin und ich an einem schönen Vormittag in einem recht beliebten Café in Uni-Nähe beim Frühstücksbuffet. Nach einiger Zeit setzte sich eine ältere Frau an den freien Tisch neben uns. Sie bestellte einen Bagel und ein kleines Bier und sprach mit den Kellnerinnen, als wäre sie Stammgast. Dabei war sie vermutlich 40-50 Jahre älter als der Schnitt der restlichen Gäste. Sie saß alleine an dem Tisch, aber ihre Körperhaltung verriet Offenheit und ein Interesse daran, neue Menschen kennenzulernen.

Klassischer Blick ins Kaffeehaus
Klassisches Kaffeehaussitzen (Wikimedia commons)

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie uns ansprach. Obwohl wir anfangs nicht ganz sicher waren, was wir von ihr halten sollten, und eigentlich nichts gegen unsere Ruhe beim Essen hatten, kamen wir schnell mit ihr ins Gespräch. Die Dame entpuppte sich als 76 Jahre alt, junggeblieben und charmant. Sie verriet uns, dass sie den Chef des Cafés kannte und sich öfter alleine hereinsetzte und einfach Leute ansprach, die sympathisch auf sie wirkten – nun umso mehr, da ihr Mann leider seit ein paar Wochen im Krankenhaus lag. Sie sagte, sie hätte noch keinen unguten Menschen in diesem Café getroffen, und auch für uns ist einer der Gründe, dass wir gerne dort frühstücken, das angenehme Publikum (und natürlich das tolle Buffet).

Die alte Dame erzählte von ihrem Mann, mit dem sie seit bald 60 Jahren verheiratet ist, von ihren Söhnen und von ihrem 16-jährigen Enkel, der gerade dabei ist, die Mädchen zu entdecken, und, wie sie es ausdrückte „wie eine Biene von einer Blume zur anderen wandert“. Mehr als einmal trafen ihre Schilderungen frappant auf meine Freundin und mich zu. Als sie über ihren Mann sagte, dass er gefälligst mehr den Mund aufmachen und weniger die Dinge nur mit sich alleine ausmachen sollte, erinnerte mich das an Worte, die ich selbst schon mehr als einmal aus Frauenmund gehört hatte. Am Ende tratschen wir weit über eine Stunde mit der alten Dame. Das Tüpfelchen auf dem i war, als sie uns mit den Worten „Wer weiss, ob ma so jung noch mal zusammenkommen“ zum Sitzenbleiben und einem ungeplanten weiteren Kaffee bzw. Kaffeebier animierte. Natürlich erfolgreich, der Spruch hat meiner Erfahrung nach noch nie versagt.

Insgesamt war es eine der interessantesten und charmantesten Begegnungen mit Fremden, die ich seit längerem erlebt habe. Mir fallen mehrere mögliche Gründe ein, warum diese alte Dame so auf unserer Wellenlänge lag: Sie ist noch immer im eigenen Geschäft aktiv, lebt in einem jungen, aufgeschlossenen Viertel von Graz, hat eine Familie, die sich um sie kümmert, und nicht zuletzt regelmäßig Kontakt mit jüngeren Menschen. Das wichtigste aber: Sie hat sich ihre Offenheit, Neugier und Lebensfreude bis ins hohe Alter bewahrt und geht vorurteilsfrei auf Menschen zu.

Ich wünsche ihr und ihrem Mann alles Gute und uns allen, dass wir mit Mitte 70 auch noch so gut drauf sind!