Donnerstag, Dezember 26, 2024
Diary

DSSS #8 – Österreichische Dialektwörter im Englischen

Chaos (George Frederic Watts / 1875 / wikimedia commons), hochkant
Chaos (George Frederic Watts / 1875 / wikimedia commons), hochkant

Wenn österreichische Dialektwörter verloren gehen, weil sie entweder etwas beschreiben, das in unserer Kultur immer seltener vorkommt, wie fast gefrorene Gliedmaßen („Boanigln„), oder ihre Aussprache doch ein wenig weit abseits Standarddeutschen Ausdrucks ist („Öühü„), dann finde ich das ein bisschen traurig. Um so amüsanter finde ich es deswegen, dass manche Dialektwörter, die im österreichischen Deutsch heute nicht mehr auftauchen, sich im Englischen wiederfinden lassen.

Hier ein paar Beispiele für dieses Phänomen:

  • Mein Vater sagt auch heute noch zu mir, wenn er vermutet, dass ich die letzte Nacht feiernd verbracht habe: „Na, woast scho wieda leischn?!“. Für „leischn“, das soviel wie „ausgehen“, „herumstreunen“ oder „ausgiebig feiern“ bedeutet, fällt mir kein phonetisch ähnliches Wort im Deutschen ein. Sehr wohl bietet jedoch das englische Wort „leisure“ eine etwaige Entsprechung. So sind „leisure hours“ gemütliche Mußestunden, „leisure time“ bezeichnet entspannte Freizeit.
  • Mit der in Österreich noch immer sehr bekannten Phrase „Do is nu Spazi!“ wird angedeutet, dass man zeitlich oder räumlich noch etwas unterbringen könnte. Sei es, ob man beim Einparken mit dem Auto noch etwas näher an ein anderes Fahrzeug heranfahren könnte, oder man bei einer Terminvereinbarung ein ungenutztes Zeitfenster findet. Das Wort „Spazi“ kann man zwar aus dem lateinischen „spatium“ herleiten, im Deutschen findet es sich aber nicht wieder. Das englische Alltagswort „space“ jedoch bedeutet eindeutig „Raum“.
  • Wenn Menschen in einer vertrackten Situation stecken oder mit einer äußerst chaotischen Anforderung zu kämpfen haben, so bietet sich im Dialekt die Phrase „Der/Die hot an orndlichn Gwirks beinander!“ an. Etymologisch scheint sich der „Gwirks“ vom „Gewirke“ abzuleiten, einem Ausdruck aus der Textilverarbeitung, der nebst Stricken und Häkeln eine weitere Art beschreibt, Textilien herzustellen – Verstrickt quasi. Während ich in Deutsch noch nie gehört habe, dass jemand „ein Gewirke beisammen“ hätte, existiert im Englischen das Wort „Quirk“. Mit den englischen Quirks beschreibt man ein Anhäufung von eigentümlichen Eigenschaften einer Sache oder Person, eine Laune des Schicksals („a quirk of fate“), oder andere Abweichungen von quasi standardisiertem Verhalten.

Die Ähnlichkeit mancher Dialektausdrücke und englischen Wörtern, so meine Hypothese, könnte man vielleicht durch den germanischen Ursprung der englischen Sprache erklären. Es handelt sich um Ausdrücke, die in deutschen Dialekten schon lange existieren, und irgendwann Eingang ins Englische fanden, währenddessen sie aus dem Standarddeutschen verschwanden. Ob das sprachwissenschaftlich Sinn macht, weiß ich nicht. Erstaunlich finde ich diese Entsprechungen aber allemal.

Quellen / Weiterführende Links

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