Montag, April 15, 2024
Diary

Tagebuch eines Irren #23

Als ich klein war, lebte ein Junge namens Pavel in unserer Nachbarschaft. Er war ein sehr zurückhaltender Charakter und hatte kaum Freunde. Vor einigen Jahren traf ich ihn, und er erzählte mir, dass er beschlossen habe zu verschwinden – er wolle sein Leben künftig in einer Kommune auf einer der Kapverdischen Inseln verbringen. Auf meine Frage nach dem Grund für diesen Entschluss kramte er ein altes Tagebuch hervor und übergab es mir mit der Aussage, ich würde alles verstehen, „wenn du DAS nur liest“. Da wir Pavel wohl nie wieder sehen werden und er sowieso meinte, ich könne mit dem Tagebuch machen, was ich wolle, wird es nun hier Stück für Stück veröffentlicht. Denn ich (alleine) verstehe nicht ganz, was ihn wohl bewegt hat.

Liebes Tagebuch,

siebzehn Jahre sitze ich nun hier und arbeite an meinem Werk, dem Talismann, der meine Götter stürzen sollte. Ich wage es nicht, diesen zu komplettieren aus Angst meine Perspektive zu verlieren; meine Perspektive fürs Wesentliche, das Rauchen. Vielleicht ist es besser so und ich kann meine Riten, die Wasserklosetts betreffend, weiter ungestört ausführen: Den Kopf zwischen die Beine gesteckt und laut unzusammenhängende Silben schreiend in den Kanal urinieren und dabei mit den Fingern beider Hände rituell die Ohren ausputzen.
Der Papst hält die Welthungerkonferenz im Freien ab, um sich Ärger zu ersparen. Verflixte Sandmänner streuen mir Schlafstaub in die Augen, um mich blind zu machen. Blind vor der Realität. Ein Schutzmechanismus von Mutter Natur, oder doch nur eine Finte der fiesen Sandmänner, die die kreative Energie von Schlafenden nutzen und als Kunst in anderen Dimensionen zu verkaufen.
Verdammt, Blutrausch. Ennskapitän Friedl, ein enger Freund von mir, singt Oden an die Fischermützen seines schwulen Freundes Olaf, seineszeichens Ölsardinenverkäufer am Hafen von Kapstadt. Er ist wahnsinnig. Meine Lieblingstante Jutta strickt mir jeden Donnerstag einen Saftautomaten, der von mir natürlich umgehend an rumänische Autoschieber verkauft wird, um meine Silbensucht zu stillen. 30 Pandabären habe ich schon getötet, um armen, kälteleideneden Kindern in Sibirien Pelzmäntel zu überreichen. Verlangen nach Durst?

Pavels Illustration #23 - Tante Jutta strickt Saftautomaten
Pavels Illustration #23 – Tante Jutta strickt Saftautomaten

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