Freitag, April 19, 2024
Diary

Tagebuch eines Irren #22

Als ich klein war, lebte ein Junge namens Pavel in unserer Nachbarschaft. Er war ein sehr zurückhaltender Charakter und hatte kaum Freunde. Vor einigen Jahren traf ich ihn, und er erzählte mir, dass er beschlossen habe zu verschwinden – er wolle sein Leben künftig in einer Kommune auf einer der Kapverdischen Inseln verbringen. Auf meine Frage nach dem Grund für diesen Entschluss kramte er ein altes Tagebuch hervor und übergab es mir mit der Aussage, ich würde alles verstehen, „wenn du DAS nur liest“. Da wir Pavel wohl nie wieder sehen werden und er sowieso meinte, ich könne mit dem Tagebuch machen, was ich wolle, wird es nun hier Stück für Stück veröffentlicht. Denn ich (alleine) verstehe nicht ganz, was ihn wohl bewegt hat.

Liebes Tagebuch,

Massen von Flugzeugen fahren über meine Zehenspitzen. Ich bin dem Schreien nahe, doch ich kann es zurückhalten. Ein Maulkorb ist mir dabei behilflich, den ich bei einer Auktion im südindischen Basar an der Ecke erstanden habe. Die Grussbotschaft, die ich bei mir trage, ist dem britischen Premieminister zu überreichen. Diese Botschaft, die natürlich, so wie die meisten geschlossenen Briefe, geheim ist, las ich.

„Sehr geehrter Herr Minister, die Malakow-Torte, die ich von Ihnen zugesandt bekam, schmeckte vorzüglichst. Eure Durchlaucht, der Herzog von Usbekistan, ist voller Freude darüber hergefallen. Mit dem Spielzeugbagger seiner Tochter schaufelte er das auch so zarte Gebäck in seinen gierigen Schlund, um seine Zuckermanie zu verdeutlichen und seinen Rausch, der aufgrund einer seltenen Zuckerkrankheit auftritt, zu steigern. Seine Majestät trischt dann mit Schürhacken aller Art auf Wandteppiche und grunzt wie ein afrikanisches, trächtiges Warzenschwein. Trotz dieser Misere möchte ich mich für Ihren guten Willen erkänntlich zeigen und sende anbei ein arabisches Götzenbild, das zur sexuellen Stimulation von Kriechtieren dient. Mit äusserst freundlichen und lieben Grüssen Ihr Sepp“.

Das las ich. Ich bin froh, dass ich nicht der einzige bin, der mit Kriechtieren gerne Geschlechtsverkehr haben will. Ich muss aber einen heissen Draht in meine Achselhöhlen schieben, damit ich die Erketion bekomme, die ich zum Hauptakt benötige. Falsche Informationen führen mich in die Schlucht der Verdammnis und ich verirre mich im Garten der Vernunft. Molotow. Eideschenrally. Satansbraten sind nicht zum Verzehr geeignet.

Pavels Illustration #22 - "Heisser Draht", Reptilien und andere Tiere
Pavels Illustration #22 – „Heisser Draht“, Kriech- und andere Tiere

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