Dienstag, Dezember 10, 2024
Diary

Harz ist ein ganz besonderer Saft

Es kommt mir irgendwie so vor, als hätte ich bis jetzt Bäumen gegenüber ignorant gelebt. Ich dachte, wenn ein Baum verletzt ist und „blutet“, dann tritt einfach Harz aus. Das klebrige Zeug riecht zwar gut, doch klebt es lästig an Fingern und lässt sich kaum aus der Kleidung waschen. Erst in der letzten Zeit fällt mir auf, was alles aus Bäumen gezapft wird. Wie unterschiedlich Baumsäfte sind, und welche Verwendungsmöglichkeiten sich dafür bieten, finde ich schier unglaublich.

Begonnen hat alles damit, dass mir meine Mutter vor ein paar Jahren aus dem Oman eine Packung Weihrauch mitbrachte. Weihrauch ist luftgetrocknetes Harz aus dem Weihrauchbaum. Der Baum wird an Stamm und Ästen angeritzt, in den Wochen darauf wird das Rauchwerk dann geerntet. Auch bei Myrrhe handelt es ich um ein luftgetrocknetes Harz. In der Zeit B.C. als Aphrodisiakum gehandelt, dient es als Tinktur heute als entzündungshemmendes Heilmittel.

Weihrauchbaum in Maskat/Oman (GeoTrinity / wikimedia commons)

Auf einer Reise durch Kanada wunderten mich dann die ganzen Bäume mit Zapfhähnen. Schnell wurde mir klar, dass es sich hierbei um die Gewinnung von Ahornsirup handeln müsse. Wenn die Zucker-Ahornbäume im Frühjahr die Nährstoffe von den Wurzeln nach oben transportieren, kann ein Teil des Safts entnommen werden. Wird dieser Saft weiter eingekocht, so erhält man das bekannte kanadische Süßungsmittel. Auf den Kanaren wird in gleicher Weise Palmhonig aus Palmen gewonnen, und in Osteuropa wird bis heute Birkensaft, naja, aus Birken gezapft.

Gewinnung von Ahonsirup (wikimedia commons)

In Thailand lassen sich die riesigen Felder voller Kautschukbäume kaum übersehen. Hier wird ein Teil der Rinde abgeschält, und eine kleine Rinne in den Baum geschlagen. Darunter wird in kleinen Kübel das austretende Latex aufgefangen. Produkte, die daraus entstehen, sind alltäglich: Autoreifen, Kleidung, Matratzen, Kondome, etc.

Angeritzter Kautschukbaum in Umphang/Thailand

Die weitere Recherche nach der Verwertung und Verwendung von Baumharzen bringt das Faß dann schnell zum Überlaufen. Physikalisch aufgetrennt in Kolophonium und Terpentinöl reichen die daraus hergestellten Produkte von Lack, über Klebstoff, Kaugummi, Verdünner, Farbe, Papierleim, bis hin zu Pech. Und nicht zu vergessen bleibt natürlich das Harz der Aleppo-Kiefer, denn dieses gibt schließlich dem Rezina sein spezielles Aroma.

Meine Überzeugung, dass aus verletzten Bäumen einfach Harz rausfließt, habe ich nun jedenfalls aufgegeben. Immer wieder darf ich lernen, dass man Dinge nicht zu sehr aufgrund ihrer Oberfläche beurteilen soll: Es gibt viele schöne Bäume, mit sehr unterschiedlichem Saft.

Quellen / Weiterführende Links

 

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