Siggi und Babarras sind vermutlich die beliebtesten europäischen Comichelden überhaupt. Millionen Menschen in aller Welt amüsieren sich über die Abenteuer der beiden unbesiegbaren Westgermanen, die sich mit List und schlagkräftigen Argumenten gegen die Besatzer Germaniens zur Wehr setzen. Wie, ihr habt noch nie von Siggi und Babarras gehört? Dann kennt ihr sie vermutlich unter ihren „ungermanischen“ Namen: Asterix und Obelix.
Mit Übersetzungen, die sich gegenüber dem Original große Freiheiten nehmen, ist es so eine Sache. Manchmal kommt etwas Großartiges dabei heraus, etwa wenn Dr. Erika Fuchs Entenhausen den Ducks Zitate von Goethe und Schiller in den Schnabel legt, oder die deutsche Schnodder-Synchronisation aus den Western-Haudraufs Bud Spencer und Terence Hill ein legendäres Komikduo macht. Manchmal endet es auch im Desaster, als Travestie des Originals, wie bei den ersten Asterix-Veröffentlichungen in Deutschland.
Wer in den 70er Jahren oder später Comics zu lesen begann, kennt Asterix, Lucky Luke und die anderen großen Comichelden vermutlich von den Alben aus dem Ehapa-Verlag. Doch vor den Alben wurden diese Storys als Fortsetzungen in Jugendmagazinen veröffentlicht, im Original z.B. in „Pilote“ und „Spirou“, im deutschsprachigen Raum in „MV Comix“ oder „Lupo Modern“. Letzteres Heft stammt aus dem Verlag des Fix-und-Foxi-Erfinders Rolf Kauka, der als Erster die deutschen Rechte an Serien wie Asterix und Lucky Luke hielt und auch selbst die Übersetzungen bearbeitete. Dabei ging er vor wie die Gallier in einem Römerlager und machte etwa Lucky Lukes stolzen Hengst Jolly Jumper kurzerhand zur Stute Rosa.
Den Vogel schoss Kauka aber bei Asterix und Obelix ab. Aus den beiden streitbaren Galliern, die sich mit ihrem Dorf der Unbeugsamen den römischen Besatzern entgegenstellten, wurden bei Kauka die Westgermanen Siggi und Babarras aus „der kleinen Fliehburg Bonnhalla am rechten Ufer des Rheins“. Statt der Römer wurden in Geschichten wie „Siggi der Unverwüstliche“ (Asterix der Gallier) mithilfe des Zaubertranks des Druiden „Konradin“ (Konrad Adenauer) eben die Feinde und Besatzer Germaniens verdroschen. Besonders absurd wurde es im dritten Asterix-Band, in dem es den kleinen Krieger und seinen nicht-dicken Kumpel ausgerechnet zu den als Goten karikierten Deutschen verschlägt. Hier wurden die Gallier kurzerhand zu Westgoten und „Kapitalisten“ gemacht und die Goten aus dem Original als „Ossis“ dargestellt, die sächselten, dass sich die Balken bogen, und deren Anführer statt Cholerix nun „Hullberick“ (Walter Ulbricht war damals oberster Genosse der DDR) hieß. Und damit selbst die tote Katze hinterm Ofen die Anspielung verstand, waren die Sprechblasen der Gegner nicht wie im Original in Frakturschrift, sondern in roter (!) Schrift gehalten.
Ich kann mir lebhaft vorstellen, was Goscinny und Uderzo, die beiden Nachfahren der stolzen Gallier, gesagt haben, als sie von diesen „Lokalisierungen“ Wind bekamen. Es war vermutlich etwas Deftigeres als „Beim Teutates!“. Jedenfalls wurde dem Kauka-Verlag die Asterix-Lizenz nach dem Goten-Debakel entzogen und an Ehapa weitergegeben, wo man wesentlich gewitzter mit dem Stoff umging und damit gewaltige Erfolge einfahren konnte. Und so endet also auch diese Asterix-Geschichte mit einem Happy End und einem Festmahl unter dem gallischen Sternenhimmel. Mit einer Besonderheit: Ich stelle mir vor, dass in diesem speziellen Fall statt des Barden Troubadix die beiden Möchtegern-Germanier Siggi und Babarras gefesselt und geknebelt abseits sitzen müssen.
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Quellen / Weiterführende Links
- Asterix Gesamtausgabe Buch 1
- Asterix bei de.wikipedia
- Mehr Lost in Translation bei trift.org