Leary in jail
Gelpke is dead
Kur in Asylen
is this your psychedelic
revolution?
Hatten wir
etwas ernst genommen
mit dem man nur spielen darf
oder
im Gegenteil …
(Auszug aus einem Gedicht von Walter Vogt an Albert Hofmann / 1974)
Lysergsäurediethylamid ist umgangssprachlich bekannt besser als LSD. Seit seiner Findung im Jahre 1943 bot es immer wieder Anlass für schrille Kontroversen und hat mit seiner Popularität in den 1960er Jahren die Welt wohl mehr verändert als man glauben mag.
Tatsächlich lässt sich diese Substanz nicht in das Schema „gut vs. böse“ pressen, denn sie macht weder abhängig, noch ist sie hochgiftig. Den unzähligen dokumentierten „Reiseberichten“ zufolge stößt sie vielmehr die „Tore der Wahrnehmung“ auf und lässt den Konsumenten andere Seiten der Wirklichkeit erleben – Seiten, die nicht als herkömmliche Drogenwirkung beschrieben werden können, da sie fast gänzlich von der Psyche des Konsumenten abhängig sind: Innen- und Außenwelt treten in unübliche Beziehung zueinander, das Alltagsbewusstsein arbeitet für gewöhnlich parallel und „erlebt“ eine verschobene, doch reale Welt, und tief sitzende, längst vergessene Träume, sowie Traumata können ihren Weg an die Oberfläche des bewussten Erlebens finden. Dabei ist Letzteres wohl auch einer der Gründe dafür, warum LSD fast weltweit als illegale Droge verboten ist.
Der Horror des LSD
Wie gefährlich die Einnahme von LSD wirklich ist lässt sich schwer einschätzen. Der oft beschriebene „Horror“ hat wohl viel damit zu tun, dass einerseits die außeralltägliche Erfahrung sehr stark ist, und sich andererseits ein „Trip“ nicht ohne ärztliche Hilfe unterbrechen lässt, also ausgesessen werden muss. Auch Albert Hofmann, der Chemiker, der LSD als erstes synthetisierte, berichtete, dass bei seiner ersten Berührung mit der Wirkung von LSD, die Angst davor, dass der empfundene Wahn niemals aufhören würde, das schlimmste Erlebnis war, und darauf folgende Versuche angenehmer und größtenteils bereichernd verliefen. Laut Hofmann gibt es jedoch auch keine Garantie dafür, dass trotz guter Vorbereitung und stabiler Psyche ein Trip immer angenehm verläuft, denn Ängste oder latent depressive Zustände können, in Form eines unkontrollierbaren Horrortrips, intensiv und in allerlei Gestalt zum Vorschein kommen.
Dass LSD dauerhafte Psychosen auslöst, ist aus der heutigen Sicht der Medizin (2012) mehr ein übertriebener Mythos als tatsächliche Gefahr. Über die wenigen dokumentierten Fällen wird angenommen, dass schon zuvor eine dementsprechende Veranlagung gegeben war. Einer Studie aus dem Jahre 1971 zufolge blieb eine aufgetretene Psychose lediglich bei drei von 1000 Untersuchten länger bestehen, und nach einer Umfrageauswertung aus dem Jahr 2013 stellt der Konsum von LSD keinen eigenständigen Risikofaktor für psychische Störungen dar.
Unterschätzt werden sollte LSD jedoch auf keinen Fall. Nahezu jeder dokumentierte Bericht bezeugt, dass die Erfahrungen unter Einfluss der Substanz sehr intensiv sind. Dazu kommt, dass diese Erfahrungen nicht, wie beim Missbrauch der meisten Rauschmittel, als isolierte, unwahre Epoche wahrgenommen werden, sondern naht- und katerlos ins Alltagsbewusstsein übergehen. Schöne Erlebnisse bleiben somit bereichernd, doch auch schlimme Erlebnisse werden weiter erinnert – es sind Erlebnisse, die wahr bleiben.
Entdeckung und Hoffnung
Die weit verbreitete Annahme, der Schweizer Albert Hofmann, der „Vater des LSD“, hätte die Substanz zufällig entdeckt, wird von ihm selbst bestritten. Nachdem er LSD im Jahre 1938 erstmals synthetisiert hatte, und dessen Wirkung, bis auf die Unruhe der Versuchstiere, medizinisch nicht besonders aufregend war, setzte er sich 1943 erneut mit Mutterkorn auseinander und synthetisierte LSD-25, um seine Wirkung als Atmungs- und Kreislaufstimulans zu testen. Während der Laborarbeit hatte Hofmann seinen ersten Trip. Er durchlebte einen furchtbaren Wahn, nur um an nächsten Tag festzustellen, dass dieser ohne pathologische Konsequenzen blieb, und er ein neues Phantastikum (damalige Bezeichnung für psychoaktive Substanzen) entdeckt hatte. Nach zahlreichen Tierversuchen und Überprüfungen in anderen Labors stand fest, dass kleinste Mengen von LSD-25 genügen, um eine bis dahin kaum bekannte psychoaktive Wirkung hervorzurufen.
1947 wurde der Wirkstoff erstmals systematisch am Menschen untersucht, woraufhin die Sandoz AG das Medikament „Delysid“ produzierte und es der Ärzteschaft als Versuchspräparat zur Verfügung stellte. Bei seiner Anwendung in Europa wurde es in geringen Dosen zur „seelischen Auflockerung“ verwendet und erfolgreich zur Unterstützung psychotherapeutischer Behandlungen eingesetzt. In den USA setzte sich eine andere Therapieform stärker durch, die sich durch höhere Dosierung kennzeichnet und als „psycholytische Therapie“ bezeichnet wird. Dabei soll die Schockwirkung von LSD ein mythisch-religiöses Erlebnis auslösen, das bei der darauf folgenden psychotherapeutischen Behandlung zur Neugestaltung und Gesundung der Persönlichkeit des Patienten dient. Beide Varianten waren vielversprechend und konnten therapeutisch erfolgreich eingesetzt werden.
Von Heilmittel zur Rauschdroge
Hofmann selbst war anfänglich davon überzeugt, etwas Gutes geschaffen zu haben, denn LSD schien sich als praktisches Werkzeug in Psychatrie und Psychotherapie zu etablieren. Bedingt durch seine extrem starke Wirkung ging er auch nicht davon aus, dass LSD außerhalb von Kunst oder Geisteswissenschaft Verbreitung finden würde. Ab Mitte der 1950er Jahre erschienen jedoch zunehmend Publikationen in nicht-wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich mit der phantastischen Wirkung von LSD auseinandersetzten. Es folgten Bücher und die Verbreitung in der populären Kultur.
Die Entwicklung zur Rauschdroge wurde auch entschieden durch den damaligen Harvard-Wissenschaftler Dr. Timothy Leary getragen. Mit seinen akademischen Kollegen wurde er zum Mitbegründer der Hippie-Bewegung in den USA. Aus den vorerst seriösen Versuchen an der Universität resultierten einige Bücher, die zu Bestsellern wurden, und zum Beispiel von Geschichten handelten, wie eine junge Frau durch LSD von ihrer Frigidität befreit wurde, oder wie bereichernd die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich auf LSD nicht wäre. Es ist kein Wunder, dass nunmehr viele Menschen den Selbstversuch wagen wollten.
1963 sandte Leary einen ausführlichen Bericht über die Wirkung von LSD an Albert Hofmann und bestellte im gleichen Zuge 100g LSD für weitere Versuchsreihen. In der Schweiz kam Skepsis auf, da es sich bei dieser Menge um ca. eine Million Einzeldosierungen handelte: Berechtigt, denn Leary wurde kurz darauf von der Harvard-Universität entlassen, da seine Untersuchungen ihren wissenschaftlichen Charakter verloren hatten und die Testserien zu LSD-Parties geworden waren.
Doch die soziale Dynamik nahm ihren Lauf, und Leary trug mit seinen Botschaften, dass LSD nicht nur den Weg zum Göttlichen im Selbst ebnete, sondern auch das mächtigste Aphrodisiakum wäre, das die Menschheit je entdeckt hatte, nicht wenig dazu bei, dass sich LSD als Rauschmittel immer weiter verbreitete. Von den jungen Akademikern in Harvard angefangen, über andere Hochschulen landesweit, entwickelte sich die Hippie-Kultur, die einen ihrer wichtigsten Glaubenssätze in der von Leary formulierten, kurzen Formel „turn on – tune in – drop out!“ gefunden hatte. Vor allem das „drop out“, die Abkehr von der bürgerlichen Norm, um sich ausschließlich dem „getunten“ Selbststudium hinzugeben, wurde zunehmend zur Gefahr für junge Menschen und die Regierung, weswegen Leary zum Ziel der Strafverfolgung und schließlich inhaftiert wurde.
Impact in der Kunst
Während die Hippie-Bewegung und die Zeit der freien Liebe wie ein heißes Strohfeuer vorüber ging, blieben in der Kunst zahlreiche Artefakte dieser Zeit auf Dauer. Davon zeugt nicht nur die „psychedelische Kunst“, die sich ab Mitte der 1960er verbreitete und die Plattencovers vieler bekannter Künstler wie Santana, Canned Heat, Jefferson Airplane oder Pink Floyd zieren, und bis heute, vor allem in der Goa-Szene weiterlebt. In der Bildnerischen Kunst bedien(t)en sich vor allem Psychonauten, Künstler, die sich mit dem Erforschen der eigenen Psyche und dem Unbewussten auseinandersetzen, des Hilfs- und Wirkstoffs LSD. Auch der „Psychodelic Rock“ entwickelte sich in dieser Zeit und beispielsweise auch die Beatles spielten nicht zu selten auf bewusstseinserweiterte Zustände an.
Das soziale und rechtliche Tabu macht es jedoch schwer zu bestimmen, wie viel Kunst mit Unterstützung von LSD entstand und weiterhin entsteht. Nicht immer wollen oder können Künstler öffentlich dazu stehen, mit der Wirkung einer illegalen Substanz experimentiert und davon profitiert zu haben.
… und heute?
Ganz verschwunden ist LSD noch nicht. So spricht beispielsweise Thomas D. offen darüber, mit LSD „geschaffen“ zu haben, was sich in Songs wie „Tag am Meer“ widerspiegelt. Auch aus Teilen der Wissenschaft hört man bis heute die Forderung, LSD wieder teilweise zu legalisieren: Als Mittel zur Therapie, oder als legitimes Arbeitswerkzeug. Im Rahmen ernsthafter Forschung geschieht dies bereits in der Schweiz, in Israel und den USA. Nachdem sich jedoch, wie die Geschichte zeigt, LSD nicht für eine unregulierte Abgabe eignet, da die Missbrauchsgefahr zu groß ist, wäre ein strenger gesetzlicher Rahmen für legalen Konsum nützlich, um die Substanz wieder zielgerichtet salonfähig zu machen und zu produktivem Einsatz zu führen.
Seit Anfang der 2000er Jahre setzt sich der deutsche Philosoph Thomas Metzinger für einen LSD-Führerschein ein: Nach einigen Sitzungen unter medizinischer oder therapeutischer Aufsicht, soll es möglich sein, einige Male pro Jahr, legal LSD zu kaufen und zu konsumieren. Doch zu klein scheint die Lobby hinter einer vernunftbasierten Regulierung von LSD zu sein und zu heiß der Brocken, den die Entscheidungsträger in die Hand nehmen müssten – denn wo läge der (wirtschaftlich) produktive Nutzen einer Legalisierung?
Weiterführende Literatur und Links
- Five Bad Trip Stories auf about.com
- Mit LSD zurück zur Geburt auf standard.at
- Thomas D. über LSD auf drogen-info-berlin.de
- Albert Hofmanns „LSD – Mein Sorgenkind“ auf erowid.org (pdf)