Montag, März 25, 2024
Diary

Such Is Life #8 | Der Ritter der Kokosnuss

Dieser Beitrag wird uns von Markus Sammer präsentiert.

Die Sehnsucht nach einem besseren Leben treibt uns alle an. Manchmal treibt sie auch seltsame Blüten. Eine davon ist die Kokosnuss-Sekte des August Engelhardt.

August Engelhardt 1911 (Wikimedia Commons)
August Engelhardt 1911 (Wikimedia Commons)

Der Apothekenhelfer August Engelhardt träumte zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom einfachen, naturnahen Leben. Er war Vegetarier und Nudist. Nachdem besonders letztere Lebensweise in seiner deutschen Heimat nicht gerade wohlgelitten war, erwarb er einen 75 ha großen Besitz auf der Insel Kabakon im damaligen Deutsch-Neuguinea. Dort gründete er den nudistischen Sonnenorden und ernährte sich ausschließlich von tropischen Früchten. Später stellte er seine Diät komplett auf Kokosnüsse um. Seine These: Die reine Kokosdiät (Kokovorismus) mache den Menschen unsterblich und vereinige ihn mit Gott.

Er verbreitete seine Lehre über Flugblätter in Deutschland und fand einige „Ritter der Kokosnuss“, die ihm in sein tropisches Paradies folgten. Im Gegensatz zu Engelhardts Behauptungen starben seine Anhänger jedoch binnen recht kurzer Zeit: Sein erster Jünger überlebte gerade sechs Wochen auf Kakabon. Andere erkannten rasch die Fruchtlosigkeit ihres Tuns und suchten wieder das Weite. Dementsprechend hielten sich wohl nie mehr als 5 Anhänger gleichzeitig auf der Insel auf. Den Sektengründer focht das nicht an. Ob aufgrund der Sonne oder der einseitigen Diät, Engelhardts Vorstellungen wurden immer wirrer: Er erklärte das Gehirn zum edelsten menschlichen Organ und bestritt, dass es seine Energie aus dem „schmutzigen“ Verdauungstrakt gewann. Vielmehr machte er die Haarwurzel als Energiequelle aus, die wiederum ihre Kraft aus dem Sonnenlicht bezog. So begründete Engelhardt auch seine Verehrung für die Kokosnuss, da diese von allen Früchten am Nächsten der Sonne wachse und daher besonders viel göttliche Energie enthalten musste.

Wiederum hielten Engelhardts Behauptungen einem Reality Check nicht stand: 1905 war er räudig beisammen, wog bei 1,66 m Größe nur 39 kg, hatte Krätze und Geschwüre und konnte vor Entkräftung nicht mehr gehen. Schließlich wurde er in ein Krankenhaus gebracht und der Gouverneur verbot ihm die Rekrutierung weiterer Anhängern. Nichtsdestotrotz entwickelte Engelhardt den Plan eines „fruktovorischen Weltreichs“, das von Kakabon aus die Welt erobern sollte. Daraus wurde aber nichts. Engelhardt sah sich zunehmender Kritik in seiner alten Heimat ausgesetzt, nachdem sein treuester Anhänger, der Naturschriftsteller August Bethmann, aus ungeklärter Ursache auf Kakabon verstarb und Bethmanns Verlobte zur schärfsten Kritikerin der Sekte wurde.

Der Weg zum Weltreich war weit, und dann kam auch noch der Erste Weltkrieg dazwischen. Engelhardt geriet kurzzeitig in australische Gefangenschaft, wurde dann aber als „harmloser Irrer“ entlassen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in seinem gewohnten Lebensstil auf Kakabon. August Engelhardt wurde 44 Jahre alt und hinterließ die Trümmer eines angehenden Weltreichs und zahlreicher Kokosnüsse.

Was bisher geschah: